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Berger, Hermann; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1992, 1. Abhandlung): Das Burushaski: Schicksale einer zentralasiatischen Restsprache ; vorgetragen am 12. Januar 1991 — Heidelberg: Winter, 1992

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https://doi.org/10.11588/diglit.48165#0025
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Das Burushaski

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einer Sprache entstanden ist. Der Anstoß dazu scheint hier eindeutig von
außen gekommen zu sein. Das im Westen von Hunza gesprochene indo-
arische Shina, dem das Bur. auch eine große Anzahl von Lehnwörtern
verdankt, hat die Unterscheidung von Maskulinum und Femininum im
Nomen und zum Teil auch im Verbum, aber als grammatisches, nicht
natürliches Genus bewahrt. Im Bur., das ganz auf semantische Unter-
scheidungen eingestellt war, konnte das Genus nur als natürliches gefaßt
und als Teilsystem eingebaut werden.
Neben der Unterscheidung von einzeln-kollektiv ist aber indirekt
auch noch die dritte, anderswo als einzige vorkommende Genusunter-
scheidung erkennbar, die in beseelt - unbeseelt, denn es gibt eine gram-
matische Konstruktion, die Maskulin, Feminin und die Tierbezeichnung
der x-Klasse den Wörtern für leblose Gegenstände und der y-Klasse ge-
genüberstellt. Um sie zu verstehen, muß aber zuvor etwas ausführlicher
auf die merkwürdige Rolle eingegangen werden, die im Burushaski die
Pronominalpräfixe beim Verbum spielen. Sie können das pronominale
Subjekt beim Intransitivum bezeichnen, wie in i-mänimi „er wurde“,
mu-mänumo „sie wurde“, und das pronominale Subjekt beim Transitiv,
wie in i-phüsimi „er band ihn“, mu-phüsimi „er band sie“ usw., werden
aber auch gesetzt, wenn das Subjekt bzw. Objekt bereits durch ein Sub-
stantiv bezeichnet ist, wie in hir i-mänimi „der Mann wurde“, wörtlich
„der Mann, er-wurde“, oder ine hir i-phüsimi „er band den Mann“,
wörtlich „er band-ihn, den Mann“. Die Setzung ist aber keine durchge-
hende, sondern Antritt und Fehlen vollziehen sich nach komplizierten
Regeln, die eines der am schwersten durchschaubaren Kapitel der Bu-
rushaski-Morphologie bilden. Ein nicht geringer Teil der Burushaski-
Verben nimmt nie ein Pronominalpräfix zu sich, und die Person kann
beim transitiven Verbum nur aus dem beigefügten unabhängigen Perso-
nalpronomen oder aus dem Zusammenhang, bei intransitiven Verben
(teilweise) auch aus den Personalendungen erschlossen werden; in einer
kleineren Anzahl von Verben muß umgekehrt das Pronominalpräfix in
allen Formen stehen. Für die Mehrheit der Verben gilt aber, daß sie nie
ein Präfix zu sich nehmen, wenn sie als Intransitivum zu einem Subjekt
und als Transitivum zu einem Objekt der y-Klasse gehören. In der zwei-
geteilten Menschenklasse und der x-Klasse wird das Pronominalpräfix
in der Regel gesetzt, in einer kleinen Gruppe von sieben intransitiven
Verben fehlt es aber wiederum, wenn ausgedrückt werden soll, daß die
Handlung willentlich, mit Absicht vollzogen wird. Ein Satz wie hirgurci-
mi „der Mann tauchte unter“ (ohne Präfix) besagt also, daß er absicht-
lich untertauchte, z. B. um sich von Seife zu reinigen, hir i-gürcimi hin-
 
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