Metadaten

Raible, Wolfgang; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]; Heger, Klaus [Gefeierte Pers.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1992, 2. Abhandlung): Junktion: eine Dimension der Sprache und ihre Realisierungsformen zwischen Aggregation und Integration ; vorgetragen am 4. Juli 1987 ; Klaus Heger zum 22.6.1992 — Heidelberg: Winter, 1992

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48166#0108
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
106

Wolfgang Raible

Junktors übernehmen. Auch der gewissermaßen umgekehrte Fall ist
möglich. Griechisch οτι und spätlateinisches quia als Replik dieses οτι
sind in den jeweiligen Sprachen Konjunktionen. Sie können jedoch,
ebenso wie finnisches että ,daß‘116, als Einleiter für zitierte, d. h. direkte,
nicht durch einen anderen vermittelte Rede verwendet werden - was
sich eindeutig daran zeigt, daß die erste Person der direkten Rede erhal-
ten bleibt117:
. . . dicens quia non frustravi juramentum meum
(„... und [er] sagte: „Ich habe meinen Eid nicht umgangen.“ - Gregor von Tours,
Historia Francorum, MGH p. 198,5.)
Eine andere Form der Realisierung von Sachverhaltsdarstellungen als
Zweit-Aktanten einer übergeordneten Sachverhaltsdarstellung ist das
Verfahren des accusativus cum infinitivo im Lateinischen oder im Engli-
schen. Dabei erhält der erste Aktant der integrierten Sachverhaltsdar-
stellung die Form des Zweit-Aktanten der integrierenden. Gleichzeitig
wird als zusätzliches Signal für die Integration die Finitheit des Verbs der
integrierten Sachverhaltsdarstellung reduziert (cum infinitivo). Da-
durch werden allfällige Probleme mit modalem Widerspruch obsolet -
der Infinitiv drückt keinen Modus aus118. Im Englischen hat sich diese
Art der Integration von Objekt- und Subjektsätzen zu einem sehr lei-
stungsfähigen Instrumentarium entwickelt119.
4.4.2 Pronominale und nominale Repräsentation
Das Verfahren, um das es geht, ist für das mitteleuropäische Sprachge-
fühl weit weniger „exotisch“ als die meisten der bisher behandelten ein-
zelsprachlichen Techniken. Das geläufigste Verfahren besteht darin,
116 Hans Fromm (1982:179) erwähnt, daß dieser Gebrauch umgangssprachlich bzw. mund-
artlich ist und sich, in Form von fingierter Mündlichkeit, auch in der Literatur findet.
117 In dem schon zitierten, in Togo gesprochenen Ewe entspricht dem quia eine reduzierte
Form des Verbums ,sagen1, bé. Vgl. Westermann 1907:98. Susanne Michaelis teilt mir
mit, eine Form des Verbs di,sagen1, poudir, könne auch im gesprochenen Seychellen-
Kreol als Einleiter der indirekten Rede fungieren. - Daß es sich dabei nicht um eine
„exotische“ Erscheinung, sondern um einen in vielen Sprachen möglichen „Grammati-
kalisierungskanal“ im Sinne von Christian Lehmann handelt, wird sich weiter unten in
Kapitel VI.6 zeigen. Vgl. dazu auch Karen H. Ebert (1991).
118 Vgl. zur Entwicklung der romanischen Subjekt- und Objektsätze aus dem Lateinischen
Wolfgang Raible (1992 - FS Szemerényi).
119 Vgl. dazu die Innsbrucker Habilitationsschrift [1988] von Christian Mair (1990).
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften