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Jan Assmann
diesem Aufsatz in eine Diskussion ein, die im 18. Jahrhundert mit
großem Engagement geführt wurde. Daß Moses in der Weisheit der
Ägypter erzogen war, steht zwar nicht im Buch Exodus, aber in der
Apostelgeschichte (Agp 7, 22). Daß diese Weisheit den Charakter
von Mysterien hatte und einen esoterischen Monotheismus ver-
kündete, diese Auffassung speist sich wohl aus der Lektüre des
Jamblich und anderer ägyptischer Neuplatoniker sowie des Corpus
Hermeticum. Die altägyptischen Texte selbst waren Schiller natür-
lich noch unzugänglich; die Hieroglyphen wurden ja erst ein Vier-
teljahrhundert später durch Champollion entziffert.
„Das, was man ägyptische Mysterien nennt“, diese Wendung
Schillers wird sich vor allem auf die Schrift des Jamblichus bezie-
hen, die um 300 n. Chr. entstand und in der frühen Neuzeit von
Marsilio Ficino und Nicolaus Scutellus unter dem Titel De mysteriis
Aegyptiorum in lateinischer Übersetzung publiziert worden war. In
dieser Schrift liest man z. B. vom „einzigen Gott“, der „unbewegt im
Alleinsein seiner Einheit verharrt“ (ακίνητος έν μονότητι τής έαυτοΰ
ένότητος μενών): „er existiert als die Grund- und Urform (παρά-
δειγμα) des Gottesbegriffs, der sich selbst Vater und Erzeuger ist..
aus diesem Einen, der Einheit, ließ sich selbst der eine sich selbst
genügende Gott erstrahlen (άπδ δε του ένος τούτου ό αύτάρκης ϋεδς
έαυτδν έξέλαμψε)... er ist das Prinzip und der Gott der Götter (άρχή
γαρ οΰτος και ϋεδς ϋεών), der Einfache aus dem Einen (μονάς έκ τού
ένός), früher als das Sein und Ursprung des Seins“.33 Aus diesem
Einen sei die Welt und mit ihr alle anderen Götter hervorgegangen.
Die anderen Götter werden hier nicht geleugnet, aber sie werden so
tief zu innerweltlichen Mächten in der Art von Dämonen oder
Engeln herabgestuft, daß man auch dies einen Monotheismus nen-
nen kann.34
Wir haben es hier mit einer klassischen Alleinheits-Theologie zu
tun. Wir finden sie bei anderen ägyptischen Neuplatonikern, beson-
Diese Quellen findet man mit vielen anderen bequem zusammengestellt in der
mehrbändigen Ausgabe von Μ. Stern, Greek and Latin Authors on Jews and
Judaism, Jerusalem 1976 ff. Für die Überlieferung einer ägyptischen Erziehung
des Moses verweist er auf den „Apostel Stephanus“ (Apg 7,22) sowie auf Philo
von Alexandrien. Was aber den Inhalt dieser ägyptischen Erziehung betrifft,
spricht Schiller nur pauschal vom „Zeugnis alter Schriftsteller“ (477).
33 Jamblique, Les mysteres d’Egypte ed. E. des Places S. J. (Collection Bude), Paris
1989, VIII.2, S. 195f.
34 G. Soury, Λα demonologie de Plutarque,Paris 1942; J. Hani, La religion egyptienne
dans la pensee de Plutarque, Paris 1976, 225 ff.
Jan Assmann
diesem Aufsatz in eine Diskussion ein, die im 18. Jahrhundert mit
großem Engagement geführt wurde. Daß Moses in der Weisheit der
Ägypter erzogen war, steht zwar nicht im Buch Exodus, aber in der
Apostelgeschichte (Agp 7, 22). Daß diese Weisheit den Charakter
von Mysterien hatte und einen esoterischen Monotheismus ver-
kündete, diese Auffassung speist sich wohl aus der Lektüre des
Jamblich und anderer ägyptischer Neuplatoniker sowie des Corpus
Hermeticum. Die altägyptischen Texte selbst waren Schiller natür-
lich noch unzugänglich; die Hieroglyphen wurden ja erst ein Vier-
teljahrhundert später durch Champollion entziffert.
„Das, was man ägyptische Mysterien nennt“, diese Wendung
Schillers wird sich vor allem auf die Schrift des Jamblichus bezie-
hen, die um 300 n. Chr. entstand und in der frühen Neuzeit von
Marsilio Ficino und Nicolaus Scutellus unter dem Titel De mysteriis
Aegyptiorum in lateinischer Übersetzung publiziert worden war. In
dieser Schrift liest man z. B. vom „einzigen Gott“, der „unbewegt im
Alleinsein seiner Einheit verharrt“ (ακίνητος έν μονότητι τής έαυτοΰ
ένότητος μενών): „er existiert als die Grund- und Urform (παρά-
δειγμα) des Gottesbegriffs, der sich selbst Vater und Erzeuger ist..
aus diesem Einen, der Einheit, ließ sich selbst der eine sich selbst
genügende Gott erstrahlen (άπδ δε του ένος τούτου ό αύτάρκης ϋεδς
έαυτδν έξέλαμψε)... er ist das Prinzip und der Gott der Götter (άρχή
γαρ οΰτος και ϋεδς ϋεών), der Einfache aus dem Einen (μονάς έκ τού
ένός), früher als das Sein und Ursprung des Seins“.33 Aus diesem
Einen sei die Welt und mit ihr alle anderen Götter hervorgegangen.
Die anderen Götter werden hier nicht geleugnet, aber sie werden so
tief zu innerweltlichen Mächten in der Art von Dämonen oder
Engeln herabgestuft, daß man auch dies einen Monotheismus nen-
nen kann.34
Wir haben es hier mit einer klassischen Alleinheits-Theologie zu
tun. Wir finden sie bei anderen ägyptischen Neuplatonikern, beson-
Diese Quellen findet man mit vielen anderen bequem zusammengestellt in der
mehrbändigen Ausgabe von Μ. Stern, Greek and Latin Authors on Jews and
Judaism, Jerusalem 1976 ff. Für die Überlieferung einer ägyptischen Erziehung
des Moses verweist er auf den „Apostel Stephanus“ (Apg 7,22) sowie auf Philo
von Alexandrien. Was aber den Inhalt dieser ägyptischen Erziehung betrifft,
spricht Schiller nur pauschal vom „Zeugnis alter Schriftsteller“ (477).
33 Jamblique, Les mysteres d’Egypte ed. E. des Places S. J. (Collection Bude), Paris
1989, VIII.2, S. 195f.
34 G. Soury, Λα demonologie de Plutarque,Paris 1942; J. Hani, La religion egyptienne
dans la pensee de Plutarque, Paris 1976, 225 ff.