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Assmann, Jan; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1993, 2. Abhandlung): Monotheismus und Kosmotheismus: ägyptische Formen eines "Denkens des Einen" und ihre europäische Rezeptionsgeschichte ; vorgetragen am 24. April 1993 — Heidelberg: Winter, 1993

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https://doi.org/10.11588/diglit.48168#0019
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Monotheismus

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ders bei Plotin, sowie im Corpus Hermeticum. Heute verbucht man
diese Texte als griechische Philosophie der Spätantike35, im 18. Jahr-
hundert verstand man sie als ägyptische Theologie, der manche ein
höheres Alter zuschrieben als Moses. Höheres Alter bedeutete
damals aber zugleich höhere Wahrheit. In den Philosophiegeschich-
ten des 18. Jh., allen voran in dem vielbenutzten fünfbändigen Werk
von J. Brücker aus den Jahren 1742-44, hatten die„Philosophie“und
die „Theologie der Ägypter“, gestützt auf Jamblich, Plutarch und das
Corpus Hermeticum, noch einen prominenten Platz.36
Trotz der Entlarvung des Corpus Hermeticum durch Isaak
Casaubon als spätantiken Text (und, wie er zu Unrecht meinte,
christliche Fälschung) im Jahre 161437 hielten im 18. Jh. noch
erstaunlich viele an der Einschätzung dieser Überlieferung als
prisca theologia fest.38 Diese Hochdatierung und (darauf gegrün-
dete) positive Einschätzung der „ägyptischen Philosophie“ oder
„Theologie“ hat eine entschieden religionskritische, aufklärerische
Tendenz. Schiller ergreift hier eindeutig Partei, wenn er den hebräi-
schen Monotheismus auf die ägyptische All-Einheitslehre zurück-
führt und damit den Unterschied zwischen dem Offenbarungs- und
dem Verborgenheitsmonotheismus nivelliert. Die Devise dieser

35 Diesen Standpunkt vertreten vor allem A. D. Nock und A. J. Festugiere, denen
die maßgebliche Ausgabe des Corpus Hermeticum verdankt wird, sowie A. J.
Festugiere in seinem vierbändigen Werk La revelation d’Hermes Trismegiste,
Paris 1944-1954. Ein anderes Verständnis dieser Literatur, das den ägyptischen
Anteilen mehr Rechnung trägt, vertritt etwa G. Fowden, The Egyptian Hermes.
A historical approach to the late pagan mind, Cambridge 1986.
36 J. Brücker, Historia Critica philosophiae, a mundi incunabilis ad nostram usque
aetatem deducta, Leipzig 1742-44.
37 Cf. Frances A. Yates, Giordano Bruno and the Hermetic Tradition, London 1964,
398-402. Im 18. Jh. wurde diese kritische Einstellung zur ägyptischen Überliefe-
rung v. a. durch Bischof William Warburton vertreten, der sich in seinem Ver-
such über die Hieroglyphen der Ägypter (4. Sektion des 2. Teils seines Werks Di-
vine Legation of Moses Demonstrated from the Principles of a Deist (1738), die
1744 ins Französische übersetzt wurde) entschieden gegen den Ansatz A. Kir-
chers wandte, die Weisheit des Corpus Hermeticum in die so viel älteren hiero-
glyphischen Inschriften hineinzulesen. Einen Reprint der deutschen Überset-
zung von J. C. Schmidt, Frankfurt und Leipzig 1751-53, besorgte P. Krumme bei
Ullstein, Frankfurt 1980.
38 Vgl. Paolo Rossi, The Dark Abyss ofTime. The History of the Earth and theHistory
of Nations from Hooke to Vico, Chicago 1984 (=1 segni di tempo, Mailand 1979),
ch. 17 “The Egpytian Culture of Moses”, S. 123-132.
 
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