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Assmann, Jan; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1993, 2. Abhandlung): Monotheismus und Kosmotheismus: ägyptische Formen eines "Denkens des Einen" und ihre europäische Rezeptionsgeschichte ; vorgetragen am 24. April 1993 — Heidelberg: Winter, 1993

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https://doi.org/10.11588/diglit.48168#0025
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Monotheismus

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Explizit wird die Verbindung von Bildersturm und Monotheis-
mus bei Strabo.57 Bei ihm findet sich dieselbe Überlieferung, aber
ohne die antijüdischen Obertöne. Moses war ein ägyptischer Prie-
ster, der sich aus Unzufriedenheit „über das Bestehende in Aigyp-
tos“ den Hebräern anschloß. Er lehrte, nur Jenes Eine Wesen sei
Gott, welches uns alle und Erde und Meer umfaßt, welches wir
Himmel und Erde und Natur der Dinge nennen“ (εϊη γάρ έν τοΰτο
μόνον ϋεός τό περιέχον ήμας άπαντας καί γην καί ϋάλατταν, δ
καλοΰμεν ουρανόν και κόσμον και τήν των όντων φύσιν). Diese
Gottheit könne kein Bild wiedergeben. „Man müsse vielmehr alles
Bildnismachen unterlassen und die Gottheit verehren ohne Bild-
nis“.58 Worauf es allein ankommt, um Gott nahe zu kommen, sei,
„tugendhaft und in Gerechtigkeit zu leben“.59 Übrigens seien die
Hebräer später von der reinen Lehre abgefallen und hätten aber-
gläubische Sitten entwickelt wie Speiseverbote, Beschneidung und
andere Gesetze.

ein Orakel dem König Bokchoris aufgetragen, das Land zu reinigen „und diese
Rasse in andere Länder zu deportieren, weil sie den Göttern verhaßt sei“ (Stern,
а. a.O. Bd. II, Nr. 281, S. 18 und 25 § 3.1). Auch Tacitus charakterisiert den jüdi-
schen Gottesbegriff als monotheistisch und anikonisch: Aegyptii pleraque ani-
malia effigiesque compositas venerantur, ludaei mente sola unumque numen intel-
legunt: profanes, qui deum imagines mortalibus materiis in species hominum effin-
gant; summum illud et aeternum neque imitabile neque interiturum (ibid. § 5.4).
57 Wie K. Reinhardt, Poseidonios über Ursprung und Entartung, Orient und Antike
б, 1928, festgestellt hat, basiert Strabon hier auf Poseidonios, cf. Μ. Stern, Greek
and Latin Authors, I, 264. Die Verbindung von Anikonismus und Monotheis-
mus findet sich schon bei Hekataios: άγαλμα δέ θεών το σύνολον ού κατε-
σκεΰασε διά το μή νομίζειν άνθρωπόμορφον είναι τον θεόν, άλλα τον περιέχοντα
τήν γην ούρανδν μόνον είναι θεόν καί των όλων κύριον „Götterbilder ließ er
jedoch nicht herstellen, weil er glaubte, daß Gott keine menschliche Gestalt
habe, sondern vielmehr der die Erde umfassende Himmel allein göttlich sei
und Herr über Alles“, Stern, a.a.O. Nr. 11 (4), S. 26.
58 Strabon argumentiert hier auf der Linie einer auch sonst vertretenen Theologie,
derzufolge der Kosmos der wahre Tempel der Gottheit ist. Das ist ein Argument
gegen den Bildkult, der am Sinn des biblischen Bilderverbots vollkommen vor-
beigeht. Dort geht es um die Treue zu dem Einen; Bilder sind gleichbedeutend
mit „anderen Göttern“. Hier geht es um die Unangemessenheit einer Verkür-
zung des Umfassenden und Unsinnlichen (der das All durchwaltende Logos ist
nur dem Verstände, nicht den Sinnen erfaßbar) auf das konkrete Kultobjekt.
Vgl. hierzu auch Amir, a.a.O. (Anm. 21), 7.
59 Strabon, Geographica XVI, 2:35; Strabons Erdbeschreibung, übers, v. Chr. Gott-
lieb Großkurd, Berlin/Stettin 1833, Bd. III, S. 264f. Μ. Stern, a.a.O., 261-351,
spez. 294f. (35).
 
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