Metadaten

Assmann, Jan; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1993, 2. Abhandlung): Monotheismus und Kosmotheismus: ägyptische Formen eines "Denkens des Einen" und ihre europäische Rezeptionsgeschichte ; vorgetragen am 24. April 1993 — Heidelberg: Winter, 1993

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48168#0042
Lizenz: In Copyright
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
40

Jan Assmann

anderer Hymnus in diesem Tempel trägt den Titel: „Das Buch der
Geheimnisse des Amun, das auf Schreibtafeln aus ΛΆ -Holz nieder-
geschrieben ist“. Dieser Hymnus entfaltet die Lehre von den 10 Ba’s
des Amun, die den Gipfelpunkt der ramessidischen Ba-Theologie
bildet. Leider sind von den 10 Liedern, die je einem der Ba’s gewid-
met sind, nur die ersten drei erhalten. Aber ein einleitender Hym-
nus in der Form eines Morgenliedes nennt sie alle 10, so daß das
System als solches erkennbar wird.95
In den ersten 5 Ba’s finden wir wieder jene kosmischen Ele-
mente, die die Welt lebenspendend durchwalten. Das erste Ba-Paar
sind Sonne und Mond, die zugleich als das rechte und das linke
Auge des Weltgottes erklärt werden. Dann kommen derBa des Schu
und der Ba des Osiris für Luft und Wasser, und als fünftes nicht, wie
man erwarten würde, der Ba des Geb für die Erde, sondern der Ba
der Tefnut. Der Hymnus gibt die theologische Deutung. Sonne und
Mond stehen nicht für das Licht, sondern die Zeit, die hier ebenfalls
als eine kosmische, lebenspendende Energie erscheint. Das Licht
wird dem Ba der Tefnut, der Göttin der flammenden Uräus-
Schlange zugewiesen. Wir haben hier also Zeit, Luft, Wasser und
Licht als lebenspendende Elemente. Alle fünf Bas tragen in der
zugehörigen Darstellung das Abzeichen ihrer kosmischen Manife-
station auf dem Kopf: Sonne, Mond, Luftsegel, 3 Wassernäpfe (mv)
und Fackel.96 Bis dahin finden wir uns auf vertrautem Boden, wenn
auch diese Fünfheit sonst nicht belegbar ist.
Die zweiten fünf Ba’s - und damit betreten wir theologisches
Neuland - stehen für 5 Klassen von Lebewesen. Diese Theologie
unterscheidet also zwischen kosmischem und animalischem Leben.
Den 5 lebenspendenden kosmischen Energien stehen 5 Klassen
lebenemfangender, beseelter Wesen gegenüber. Es sind Menschen,
Vierfüßler, Vögel, Wassertiere und Erdwesen wie Schlangen, Skara-
bäen und Tote. Der Ba für die Menschen ist menschengestaltig und
heißt „Königska“, der Ba für die Vierfüßler ist löwenköpfig und heißt
„Widder der Widder“, der Ba für die Vögel ist menschengestaltig und
95 J. C. Goyon, in: R. A. Parker, J. Leclant, J. C. Goyon, The Edifice ofTaharqa,
Providence 1979, 69-79; 40-41; Tf. 27. Vgl. ÄHG Nr. 128; Baruqc-Daumas,
Nr. 88; TUAENr. 13, S. 865-868. Einen demotischen Paralleltext veröffentlichte
Μ. Smith, in: Enchoria 7, 1977, 115-149.
96 Eine Abbildung der anderweitig unveröffentlichten Darstellung der 10 Bas des
Amun in der Krypta des ptolemäischen Opet-Tempels von Karnak findet sich
in: C. Traunecker, Les dieuxde l’Egypte, Que sais-je? 1191, Paris 1992, S. 97 fig. 8.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften