Monotheismus
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heißt Harachte, der Ba für die Wassertiere ist krokodilköpfig und
heißt „Ba derer im Wasser“, der Ba für die Erdbewohner ist schlan-
genköpfig und heißt Nehebka. Das verblüffendste an dieser Theolo-
gie ist in meinen Augen der Platz, den sie dem König anweist. Der
König gehört zu den 10 Ba’s, er ist einer der zehn innerweltlichen
Manifestationen, in denen Gott die Welt belebt, beseelt und organi-
siert, und zwar ist er diejenige Gottesenergie, die für die Menschen
zuständig ist. Das gilt nicht für den König selbst, wohlgemerkt, son-
dern für den Königs-Ka, also das als solches göttliche institutionelle
Prinzip des Königstums, das sich in jedem seiner Träger verkörpert
und das mit dem Gott Horus identisch ist. Das Königtum ist eine
kosmische Energie wie Licht und Luft. In ihm kommt diejenige
Gottesmacht zur Erscheinung, die die Menschenwelt beseelt, ver-
sorgt und ordnet.
Dieser Hymnus ist uns in 5 verschiedenen Fassungen erhalten.
Außer im Tempel von Hibis kommt er noch vor im Gebäude des
Königs Taharqa aus der 25. Dynastie, der Äthiopenzeit, am Heiligen
See von Karnak, sowie im ptolemäischen Tempel der Opet in Kar-
nak, auf einem demotischen Ostrakon aus der Zeitenwende, und im
Tempel von Philae aus der späten Ptolemäerzeit. In diesen Texten
stoßen wir nun ganz offensichtlich auf jene Tradition, die in der spä-
teren Antike als esoterischer Monotheismus verstanden wurde. Es
handelt sich um die Theologie des all-einen Weltgottes, die in der
Ramessidenzeit als Antwort auf den monotheistischen Umsturz
von Amarna von den führenden Theologen entwickelt wurde und
in deren Zentrum der Begriff des „Ba“ steht.
Der Weltgott ist ein verborgener Gott. Er ist, wie es in einem
ramessidischen Hymnus heißt,
„ferner als der Himmel, tiefer als die Unterwelt.
Kein Gott kennt seine wahre Gestalt.
Sein Bild wird nicht entfaltet in den Schriftrollen,
man lehrt nicht über ihn...
Er ist zu geheimnisvoll, um seine Hoheit zu enthüllen,
zu stark um ihn zu erkennen“.97
Der Gedanke der Verborgenheit vermittelt zwischen Vielheit und
Einheit, dem manifesten Polytheismus und dem untergründigen
Monotheismus. In seiner Immanenz und Evidenz ist das Göttliche
97 pLeiden I 350 IV, 17-19 ed. Zandee, Hymnen aan Amon van Pap. Leiden 1350,
OMRO 28, 1947, 75-86; ÄHG no. 138.
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heißt Harachte, der Ba für die Wassertiere ist krokodilköpfig und
heißt „Ba derer im Wasser“, der Ba für die Erdbewohner ist schlan-
genköpfig und heißt Nehebka. Das verblüffendste an dieser Theolo-
gie ist in meinen Augen der Platz, den sie dem König anweist. Der
König gehört zu den 10 Ba’s, er ist einer der zehn innerweltlichen
Manifestationen, in denen Gott die Welt belebt, beseelt und organi-
siert, und zwar ist er diejenige Gottesenergie, die für die Menschen
zuständig ist. Das gilt nicht für den König selbst, wohlgemerkt, son-
dern für den Königs-Ka, also das als solches göttliche institutionelle
Prinzip des Königstums, das sich in jedem seiner Träger verkörpert
und das mit dem Gott Horus identisch ist. Das Königtum ist eine
kosmische Energie wie Licht und Luft. In ihm kommt diejenige
Gottesmacht zur Erscheinung, die die Menschenwelt beseelt, ver-
sorgt und ordnet.
Dieser Hymnus ist uns in 5 verschiedenen Fassungen erhalten.
Außer im Tempel von Hibis kommt er noch vor im Gebäude des
Königs Taharqa aus der 25. Dynastie, der Äthiopenzeit, am Heiligen
See von Karnak, sowie im ptolemäischen Tempel der Opet in Kar-
nak, auf einem demotischen Ostrakon aus der Zeitenwende, und im
Tempel von Philae aus der späten Ptolemäerzeit. In diesen Texten
stoßen wir nun ganz offensichtlich auf jene Tradition, die in der spä-
teren Antike als esoterischer Monotheismus verstanden wurde. Es
handelt sich um die Theologie des all-einen Weltgottes, die in der
Ramessidenzeit als Antwort auf den monotheistischen Umsturz
von Amarna von den führenden Theologen entwickelt wurde und
in deren Zentrum der Begriff des „Ba“ steht.
Der Weltgott ist ein verborgener Gott. Er ist, wie es in einem
ramessidischen Hymnus heißt,
„ferner als der Himmel, tiefer als die Unterwelt.
Kein Gott kennt seine wahre Gestalt.
Sein Bild wird nicht entfaltet in den Schriftrollen,
man lehrt nicht über ihn...
Er ist zu geheimnisvoll, um seine Hoheit zu enthüllen,
zu stark um ihn zu erkennen“.97
Der Gedanke der Verborgenheit vermittelt zwischen Vielheit und
Einheit, dem manifesten Polytheismus und dem untergründigen
Monotheismus. In seiner Immanenz und Evidenz ist das Göttliche
97 pLeiden I 350 IV, 17-19 ed. Zandee, Hymnen aan Amon van Pap. Leiden 1350,
OMRO 28, 1947, 75-86; ÄHG no. 138.