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Assmann, Jan; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1993, 2. Abhandlung): Monotheismus und Kosmotheismus: ägyptische Formen eines "Denkens des Einen" und ihre europäische Rezeptionsgeschichte ; vorgetragen am 24. April 1993 — Heidelberg: Winter, 1993

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https://doi.org/10.11588/diglit.48168#0044
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Jan Assmann

nur polytheistisch vorstellbar, anrufbar und kultisch zugänglich. In
seiner untergründigen Einheit dagegen ist es verborgen. Der
Ba-Begriffist eins der Instrumente, um diese Dialektik zu formulie-
ren. Aus der Verborgenheit des Allgottes wird das Geheimnis seiner
Theologie. „Sein Bild wird nicht entfaltet in den Schriftrollen“ - so
steht es in dem Text, den wir gerade zitiert haben. Aber dieser Text
ist ein literarisches Werk, das in den gebildeten Kreisen zirkulierte,
vermutlich in der Schule gelesen wurde. Er gehöt zur exoterischen
Seite der Theologie. Daneben gibt es esoterische Schriften, in denen
das Bild des verborgenen Gottes durchaus entfaltet wird. Das sind
die magischen Texte. Hier finden wir das Bild des Gottes mit sieben
Köpfen. In einem spätägyptischen Zauberpapyrus wird es folgen-
dermaßen erläutert:
Der Bes mit 7 Köpfen,
er verkörpert die Ba’s des Amtm-Re,...,
des Herrn von Himmel, Erde, Unterwelt, des Wassers und der Berge.
Der seinen Namen geheim hält vor den Göttern,
des Riesen von Millionen Ellen,
des Starken, der den Himmel festmachte auf seinem Haupt,
... aus dessen Nase die Luft hervorgeht, um alle Nasen zu beleben,
der als Sonne aufgeht, die Erde zu erhellen,
aus den Ausflüssen dessen Leibes der Nil fließt, um jeden Mund zu bele-
ben .. ,98
Bes ist kein großer Gott, sondern eher ein Monstrum. Typisch für
ihn ist die übelabwehrende Fratze, er ist der Gott der maskenhaften
Verhüllung. Auch hier erscheint er nur als Maske und zwar des ver-
borgenen Allgotts der Ramessidenzeit. In den geheimen Schriftrol-
len der Magier wird er abgebildet. Die Monstrosität seiner Erschei-
nung verweist auf seine Verborgenheit und prinzipielle Unabbild-
barkeit. Im gleichen Papyrus erscheint er noch einmal abgebildet
mit 9 Köpfen. Der Text beschreibt das Bild als „Mensch mit 9 Köp-
fen auf einem einzigen Hals, und zwar ein Bes-Gesicht, ein Widder-
kopf, ein Falkenkopf, ein Krokodilskopf, ein Nilpferdkopf, ein
Löwenkopf, ein Stierkopf, ein Affenkopf und ein Katzenkopf.“99 Die
griechischen Zauberpapyri nennen ihn Enneamorphos, den „Neun-
gestaltigen“.100
98 Serge Sauneron, Le papyrus magique illustre de Brooklyn [Brooklyn Museum 47.
218.156], New York 1970, 23 Tf. IV, fig. 3. (neben S. 13).
99 Sauneron, a.a.O., 18, Tf. II, fig. 2 (neben S. 12).
100 R. Merkelbach, Μ. Totti, Abrasax. Ausgewählte Papyri religiösen und magischen
 
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