Monotheismus
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Das ist der All-Eine Gott des esoterischen Monotheismus im
alten Ägypten, wie ihn die antiken Autoren überlieferten. Es
handelt sich also nicht um ein Mißverständnis, sondern um eine
authentische Tradition.101 In der Endphase der ägyptischen Religion
wird diese Theologie des all-einen Weltgottes auf Isis übertragen.102
Jetzt ist sie die „Eine die sich zu Millionen macht“103, una qui es
omnia104, μούνη εΐ σύ άπασαι105, wie sie in den Texten angerufen
wird. Sie heißt geradezu „die Eine“ (G wci - Θιοΰις).106 Auf diese
Theologie bezieht sich Plutarch mit seiner Legende vom verschlei-
erten Bild zu Sais. Was wir hier vor uns haben, ist aber keine
Geheimreligion. Geheimnivoll ist vielmehr die Gottheit, um die es
Inhalts Bd. 1: Gebete, Abhandlungen der rheinisch-westfälischen Akademie der
Wissenschaften, Sonderreihe Papyrologica Colonensia vol. XVII.1, 78; R. Mer-
kelbach, Abrasax 3: Zwei griechisch-ägyptische Weihezeremonien, Opladen
1992, 10 f. und öfter.
101 Ein Mißverständnis allerdings ist die moderne Einstufung sämtlicher dieser
ägyptischen und griechischen Texte als „magisch“ im Sinne okkulter und asozia-
ler Praktiken im Dienst privater Wünsche nach Schutz, Heilung, Liebesglück
usw. Die Kirchenväter haben aus begreiflichen Gründen die ganze heidnische
Religion als Zauberei hingestellt. In Wirklichkeit handelt es sich, wie vor allem
R. Merkelbach gezeigt hat, auch bei vielen der sog. griechischen Zauberpapyri
um liturgische Texte, die aus dem Tempelkult stammen und die wir als Zeug-
nisse spätägyptischer Theologie sehr ernst nehmen müssen.
102 Für eine Zusammenstellung der wichtigsten Literatur s. H. S. Versnel, Ter Unus.
Isis, Dionysos, Hermes - Three Studies in Henotheism, Leiden 1990,39 n. 1, der mit
Recht hinzusetzt: “The literature now definitely overflows the banks, not always
equally fertilizing the fields”.
103 Re und Amun, 211-218.
104 Votiv-Inschrift aus Capua, 1. oder 2. Ih. n. Chr., CIL X 3800 = Dessau ILS 4362;
L. Vidman, Sylloge inscriptionum religionis Isiacae et Sarapidae, Berlin 1969,
Nr. 502: Te tibi una quae es omnia dea Isis. F. Dunand,„Le syncretisme isiaque“,
(Anm. 105), 82 n.L; V. Tran Tarn Tinh, Le culte des divinites orientaux en Compa-
nie, Leiden 1972, 41ff.; 77; 199-234.
105 Hymnus des Isidorus aus Medinet Madi cf. Vera F. Vanderlip, The Four Greek
Hymns of Isidorus and the Cult of Isis, American Studies in Papyrology XII,
Toronto 1972,18f.; E. Bernand, Inscriptions metriques de l’Egypte grecoromaine,
Paris 1969, Nr. 175, 632ff.; Μ. Totti, Ausgewählte Texte derIsis-Serapis-Religion,
Subsidia Epigrapha XII, 1985,76-82; F. Dunand, „Le syncretisme isiaque ä la fm
de l’epoque hellenistique“, in: F. Dunand, P. Leveque (ed.), Les syncretismes
dans les religions grecque et romaine, Colloque de Strasbourg, Bibliotheque des
Centres d’Etudes superieures specialises, Paris 1973,79-93. Zu Isidorus cf. Drij-
vers, Vox Theologica 32, 1962, 139-50.
106 Vanderlip, a.a.O., 31; vgl. hierzu C. H. Gordon,“His name is One’”, in: JNES29
(1970) 198 ff.
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Das ist der All-Eine Gott des esoterischen Monotheismus im
alten Ägypten, wie ihn die antiken Autoren überlieferten. Es
handelt sich also nicht um ein Mißverständnis, sondern um eine
authentische Tradition.101 In der Endphase der ägyptischen Religion
wird diese Theologie des all-einen Weltgottes auf Isis übertragen.102
Jetzt ist sie die „Eine die sich zu Millionen macht“103, una qui es
omnia104, μούνη εΐ σύ άπασαι105, wie sie in den Texten angerufen
wird. Sie heißt geradezu „die Eine“ (G wci - Θιοΰις).106 Auf diese
Theologie bezieht sich Plutarch mit seiner Legende vom verschlei-
erten Bild zu Sais. Was wir hier vor uns haben, ist aber keine
Geheimreligion. Geheimnivoll ist vielmehr die Gottheit, um die es
Inhalts Bd. 1: Gebete, Abhandlungen der rheinisch-westfälischen Akademie der
Wissenschaften, Sonderreihe Papyrologica Colonensia vol. XVII.1, 78; R. Mer-
kelbach, Abrasax 3: Zwei griechisch-ägyptische Weihezeremonien, Opladen
1992, 10 f. und öfter.
101 Ein Mißverständnis allerdings ist die moderne Einstufung sämtlicher dieser
ägyptischen und griechischen Texte als „magisch“ im Sinne okkulter und asozia-
ler Praktiken im Dienst privater Wünsche nach Schutz, Heilung, Liebesglück
usw. Die Kirchenväter haben aus begreiflichen Gründen die ganze heidnische
Religion als Zauberei hingestellt. In Wirklichkeit handelt es sich, wie vor allem
R. Merkelbach gezeigt hat, auch bei vielen der sog. griechischen Zauberpapyri
um liturgische Texte, die aus dem Tempelkult stammen und die wir als Zeug-
nisse spätägyptischer Theologie sehr ernst nehmen müssen.
102 Für eine Zusammenstellung der wichtigsten Literatur s. H. S. Versnel, Ter Unus.
Isis, Dionysos, Hermes - Three Studies in Henotheism, Leiden 1990,39 n. 1, der mit
Recht hinzusetzt: “The literature now definitely overflows the banks, not always
equally fertilizing the fields”.
103 Re und Amun, 211-218.
104 Votiv-Inschrift aus Capua, 1. oder 2. Ih. n. Chr., CIL X 3800 = Dessau ILS 4362;
L. Vidman, Sylloge inscriptionum religionis Isiacae et Sarapidae, Berlin 1969,
Nr. 502: Te tibi una quae es omnia dea Isis. F. Dunand,„Le syncretisme isiaque“,
(Anm. 105), 82 n.L; V. Tran Tarn Tinh, Le culte des divinites orientaux en Compa-
nie, Leiden 1972, 41ff.; 77; 199-234.
105 Hymnus des Isidorus aus Medinet Madi cf. Vera F. Vanderlip, The Four Greek
Hymns of Isidorus and the Cult of Isis, American Studies in Papyrology XII,
Toronto 1972,18f.; E. Bernand, Inscriptions metriques de l’Egypte grecoromaine,
Paris 1969, Nr. 175, 632ff.; Μ. Totti, Ausgewählte Texte derIsis-Serapis-Religion,
Subsidia Epigrapha XII, 1985,76-82; F. Dunand, „Le syncretisme isiaque ä la fm
de l’epoque hellenistique“, in: F. Dunand, P. Leveque (ed.), Les syncretismes
dans les religions grecque et romaine, Colloque de Strasbourg, Bibliotheque des
Centres d’Etudes superieures specialises, Paris 1973,79-93. Zu Isidorus cf. Drij-
vers, Vox Theologica 32, 1962, 139-50.
106 Vanderlip, a.a.O., 31; vgl. hierzu C. H. Gordon,“His name is One’”, in: JNES29
(1970) 198 ff.