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Assmann, Jan; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1993, 2. Abhandlung): Monotheismus und Kosmotheismus: ägyptische Formen eines "Denkens des Einen" und ihre europäische Rezeptionsgeschichte ; vorgetragen am 24. April 1993 — Heidelberg: Winter, 1993

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https://doi.org/10.11588/diglit.48168#0048
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Jan Ass mann

entfalteten Theorie eines Urmonotheismus ist man allgemein abge-
kommen110, auch in der Ägyptologie, wo sie auf erhebliche Reso-
nanz gestoßen war.111 Monotheismus ist immer das Kennzeichen
sekundärer Religionen.112 Hier können wir nun zwei Formen des
Sekundären unterscheiden: eine revolutionäre und eine evolutio-
näre Form. Im einen Fall setzt sich der Monotheismus zerstörend,
verfolgend und negierend an die Stelle vorgängiger Religionsfor-
men, im anderen Falle wächst er allmählich als ein Spät- und Reife-
stadium aus ihnen heraus. Der Monotheismus, der auf dem Postu-
lat der All-Einheit beruht, d. h. auf der Einsicht, daß alle Götter im
letzten Grunde eins sind, Erscheinungsformen einer einzigen all-
umfassenden Gottheit, ist immer evolutionär. Von dieser Art ist der
Monotheismus, der in den verschiedenen Religionen und philoso-
phischen Richtungen der außerbiblischen Antike mit wachsender
Stärke hervortrat.113 Mit dieser Religionsform befinden wir uns
außerhalb jedes Konflikthorizonts. Mono- und Poly- bezeichnen
hier keine Gegensätze. Genauer gesagt wird der Gegensatz hier reli-
gionsintern vermittelt, während er im Fall des revolutionären
Monotheismus die Grenze zwischen innen und außen, also die
Abgrenzung gegenüber anderen Religionen bestimmt.114 Vermittelt

110 Der Ursprung der Gottesidee I-XII, Münster 1926-1949. In seinem 1969 erschie-
nenen Buch Religionsphänomenologie vertritt allerdings auch der schwedische
Religionswissenschaftler und Iranist Geo Widengren eine modifizierte Ur-
monotheismus-Theorie und interpretiert den evolutionären Alleinheits-
Monotheismus der indischen, iranischen und hellenistischen Antike als ein
ursprüngliches Phänomen.
111 H. Junker, Giza II, 46ff.; Der Sehende und der Blinde Gott (SBAW 1942); Pyrami-
denzeit, Einsiedeln 1949, 15 ff. Gegen diese und verwandte Vorstellungen
vgl. Hornung, Der Eine und die Vielen,·, „Die Anfänge von Monotheismus und
Trinität in Ägypten“, sowie Verf., „Primat und Transzendenz. Struktur und
Genese der ägyptischen Vorstellung eines „Höchsten Wesens“, in: W. Westen-
dorf (Hrsg.), Aspekte der spätägyptischen Religion, Wiesbaden 1979, 7-42, bes.
16-18.
112 S. hierzu Th. Sundermeier, „Religion, Religionen“, in: K. Müller,Th. S. (Hrsg.),
Lexikon missionstheologischer Grundbegriffe, Berlin 1987, 411-423 (1987); Verf.,
Maat, 17ff., 279ff.
113 Vgl. hierzu Μ. Nilsson, Geschichte der griechischen Religion II. Bd., München
1974, 569ff.
114 Bei den Stammesreligionen, auf die sich die Urmonotheismus-Theorie von
Pater Wilhelm Schmidt bezieht, wird der Gegensatz zwischen Gott und Göttern
typischerweise durch die Vorstellung des deus otiosus vermittelt. Durch seine
müßige Weltabgewandtheit gibt der Eine den Vielen Raum. Das Höchste Wesen
 
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