Alexander von Roes
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werks überredet der persische Feldmarschall Mardonios den Groß-
könig Xerxes, den Nachfolger des Dareios, gegen Athen zu Felde
zu ziehen, und sagt zur Begründung, Europa sei ein schönes und
fruchtbares Land, das nur der Großkönig zu besitzen verdiene.
Xerxes stimmt zu und erklärt im Kronrat: nur der Äther solle
Persien begrenzen, kein unabhängiges Land; er, der Großkönig,
wolle alles zu einem Reiche machen, indem er Europa von einem
Ende zum anderen durchquere.13
Man erkennt unschwer, daß Herodot an beiden Stellen einen
fremden, einen persischen ‘Europagedanken’ wiedergibt. Der
Name Europa findet sich stets nur in Äußerungen von Persern, und
woher hätte der griechische Geschichtsschreiber von dem Traume
des Kyros oder den Beratungen des Xerxes Kunde erlangen kön-
nen, wenn nicht durch eine persische Quelle. Er selbst pflegt von
Athen oder Griechenland zu sprechen; wenn er die Perser von
Europa - und meist zugleich von Asien - reden läßt, dann will er
offenbar deren Absichten, ihr Streben nach Weltherrschaft zu
erkennen geben.
Daß es die Perser waren, die zum ersten Male Europa als zusam-
menfassende Kategorie für einen bestimmten Lebens- und Kultur-
raum verwendeten, läßt sich noch auf andere Weise wahrscheinlich
machen. Die Griechen verfügten nämlich über ein eigenes antithe-
tisches Schema für sich selbst und ihre Umwohner, über ein per-
sonales, nicht territoriales Schema: über die Kennmarken Helle-
nen - Barbaren.14 Diese Termini sind in der griechischen Literatur
des 5. Jahrhunderts, von den Persern des Aischylos bis zum Pelo-
ponnesischen Krieg des Thukydides, stets gegenwärtig, und es
leuchtet sofort ein, daß sie zu den kulturell, nicht aber politisch
eine Einheit bildenden Griechen besser passen als territoriale
Blöcke, die sich ihrerseits mühelos zum despotisch regierten persi-
schen Großreich in Beziehung setzen lassen.
Herodot hat ein einziges Mal, aber an exponierter Stelle, zu
Beginn seines Werkes, die antithetischen Begriffe Europa - Asien
und Hellenen - Barbaren miteinander verbunden. Er habe, verkün-
13 7,5 und 7,8; vgl. 7,50: „sobald wir ganz Europa unterworfen haben“ (aus dem
Munde des Xerxes). S. ferner 8,109, wo Themistokles den persischen Weltherr-
schaftsanspruch zurückweist.
14 S. hierzu J. Jüthner, Hellenen und Barbaren, Leipzig 1923; H. Diller, „Die Helle-
nen-Barbaren-Antithese im Zeitalter der Perserkriege“, in Grecs et Barbares,
Entretiens sur l’antiquite classique, Bd. 8, Vandceuvres-Geneve 1962, S. 37ff.
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werks überredet der persische Feldmarschall Mardonios den Groß-
könig Xerxes, den Nachfolger des Dareios, gegen Athen zu Felde
zu ziehen, und sagt zur Begründung, Europa sei ein schönes und
fruchtbares Land, das nur der Großkönig zu besitzen verdiene.
Xerxes stimmt zu und erklärt im Kronrat: nur der Äther solle
Persien begrenzen, kein unabhängiges Land; er, der Großkönig,
wolle alles zu einem Reiche machen, indem er Europa von einem
Ende zum anderen durchquere.13
Man erkennt unschwer, daß Herodot an beiden Stellen einen
fremden, einen persischen ‘Europagedanken’ wiedergibt. Der
Name Europa findet sich stets nur in Äußerungen von Persern, und
woher hätte der griechische Geschichtsschreiber von dem Traume
des Kyros oder den Beratungen des Xerxes Kunde erlangen kön-
nen, wenn nicht durch eine persische Quelle. Er selbst pflegt von
Athen oder Griechenland zu sprechen; wenn er die Perser von
Europa - und meist zugleich von Asien - reden läßt, dann will er
offenbar deren Absichten, ihr Streben nach Weltherrschaft zu
erkennen geben.
Daß es die Perser waren, die zum ersten Male Europa als zusam-
menfassende Kategorie für einen bestimmten Lebens- und Kultur-
raum verwendeten, läßt sich noch auf andere Weise wahrscheinlich
machen. Die Griechen verfügten nämlich über ein eigenes antithe-
tisches Schema für sich selbst und ihre Umwohner, über ein per-
sonales, nicht territoriales Schema: über die Kennmarken Helle-
nen - Barbaren.14 Diese Termini sind in der griechischen Literatur
des 5. Jahrhunderts, von den Persern des Aischylos bis zum Pelo-
ponnesischen Krieg des Thukydides, stets gegenwärtig, und es
leuchtet sofort ein, daß sie zu den kulturell, nicht aber politisch
eine Einheit bildenden Griechen besser passen als territoriale
Blöcke, die sich ihrerseits mühelos zum despotisch regierten persi-
schen Großreich in Beziehung setzen lassen.
Herodot hat ein einziges Mal, aber an exponierter Stelle, zu
Beginn seines Werkes, die antithetischen Begriffe Europa - Asien
und Hellenen - Barbaren miteinander verbunden. Er habe, verkün-
13 7,5 und 7,8; vgl. 7,50: „sobald wir ganz Europa unterworfen haben“ (aus dem
Munde des Xerxes). S. ferner 8,109, wo Themistokles den persischen Weltherr-
schaftsanspruch zurückweist.
14 S. hierzu J. Jüthner, Hellenen und Barbaren, Leipzig 1923; H. Diller, „Die Helle-
nen-Barbaren-Antithese im Zeitalter der Perserkriege“, in Grecs et Barbares,
Entretiens sur l’antiquite classique, Bd. 8, Vandceuvres-Geneve 1962, S. 37ff.