Alexander von Roes
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zwei Jahrzehnte nach ihm verfaßten Pierre Dubois und Dante jene
Programmschriften, die seit jeher als Marksteine in der Entwick-
lung des Europagedankens anerkannt zu werden pflegen.61
Als Alexander zur Feder griff (seine Traktate entstammen den
Jahren 1281 und 1288), hatten sich auf der europäischen Bühne
bereits tiefgreifende Veränderungen vollzogen. Sie lassen sich alle-
samt auf die Formel bringen, daß das deutsche Kaisertum seiner
Vorrangstellung, die sich unter Friedrich Barbarossa und Heinrich
VI. noch einmal glanzvoll entfaltet hatte, auf immer verlustig
gegangen war. Zunächst das staufisch-welfische Ringen um die
Kaiserwürde, dann der päpstliche Vernichtungskampf gegen die
Staufer hatten während des 13. Jahrhunderts den Aufstieg von
Kräften ermöglicht, die sich nicht mehr zurückdrängen ließen.
Nutznießer der Auseinandersetzungen waren einmal die geist-
lichen und weltlichen Fürsten Deutschlands: sie erlangten die
Landeshoheit, und aus dem Erbreich wurde für alle Zeit ein Wahl-
reich. Nutznießer waren weiterhin die Päpste: der Kirchenstaat
breitete sich über Mittelitalien aus, und die überall präsente päpst-
liche Diplomatie wußte sich bei sämtlichen Konflikten im Reich
und in Europa maßgeblich zur Geltung zu bringen. Nutznießer der
Wirren war schließlich Frankreich: Karl von Anjou, der Bruder des
französischen Königs, Ludwigs IX., bereitete als päpstlicher Lehns-
mann der Stauferherrschaft in Süditalien ein katastrophales Ende,
und bald darauf, unter Rudolf von Habsburg, machten sich erste
Anzeichen eines französischen Druckes auf die Westgrenze des
Reiches bemerkbar.
Der Partikularismus der deutschen Fürsten, der Niedergang des
Reiches und zumal die kaiserfeindlichen und franzosenfreund-
lichen Strömungen an der päpstlichen Kurie: eben diese Konstella-
tion veranlaßte Alexander, als politischer Schriftsteller hervor-
zutreten.62 Er hielt sich damals in Rom auf; er gehörte zum Gefolge
des Kardinals Giacomo Colonna, und ihm, seinem Protektor, hat er
61 S. z. B. de Rougemont, a.a.O. (Anm. 2),S. 52ff; Foerster, a.a.O. (Anm. 1), S.
48ff.; ferner G. Barraclough, Die Einheit Europas als Gedanke und Tat, Göttin-
gen 1964, S. 20f. Vgl. auch J. Huizinga, „Wachstum und Formen des nationalen
Bewußtseins in Europa bis zum Ende des 19. Jahrhunderts“, in Im Bann der
Geschichte, Basel 1943, S. 150ff.
62 Zum Folgenden s. H . Heimpel, „Alexander von Roes und das deutsche Selbst-
bewußtsein des 13. Jahrhunderts“, Archiv für Kulturgeschichte 26, 1936, S. 19ff;
H. Grundmann, „Über die Schriften des Alexander von Roes“, Deutsches Archiv
für die Erforschung des Mittelalters 8, 1951, S. 154ff.
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zwei Jahrzehnte nach ihm verfaßten Pierre Dubois und Dante jene
Programmschriften, die seit jeher als Marksteine in der Entwick-
lung des Europagedankens anerkannt zu werden pflegen.61
Als Alexander zur Feder griff (seine Traktate entstammen den
Jahren 1281 und 1288), hatten sich auf der europäischen Bühne
bereits tiefgreifende Veränderungen vollzogen. Sie lassen sich alle-
samt auf die Formel bringen, daß das deutsche Kaisertum seiner
Vorrangstellung, die sich unter Friedrich Barbarossa und Heinrich
VI. noch einmal glanzvoll entfaltet hatte, auf immer verlustig
gegangen war. Zunächst das staufisch-welfische Ringen um die
Kaiserwürde, dann der päpstliche Vernichtungskampf gegen die
Staufer hatten während des 13. Jahrhunderts den Aufstieg von
Kräften ermöglicht, die sich nicht mehr zurückdrängen ließen.
Nutznießer der Auseinandersetzungen waren einmal die geist-
lichen und weltlichen Fürsten Deutschlands: sie erlangten die
Landeshoheit, und aus dem Erbreich wurde für alle Zeit ein Wahl-
reich. Nutznießer waren weiterhin die Päpste: der Kirchenstaat
breitete sich über Mittelitalien aus, und die überall präsente päpst-
liche Diplomatie wußte sich bei sämtlichen Konflikten im Reich
und in Europa maßgeblich zur Geltung zu bringen. Nutznießer der
Wirren war schließlich Frankreich: Karl von Anjou, der Bruder des
französischen Königs, Ludwigs IX., bereitete als päpstlicher Lehns-
mann der Stauferherrschaft in Süditalien ein katastrophales Ende,
und bald darauf, unter Rudolf von Habsburg, machten sich erste
Anzeichen eines französischen Druckes auf die Westgrenze des
Reiches bemerkbar.
Der Partikularismus der deutschen Fürsten, der Niedergang des
Reiches und zumal die kaiserfeindlichen und franzosenfreund-
lichen Strömungen an der päpstlichen Kurie: eben diese Konstella-
tion veranlaßte Alexander, als politischer Schriftsteller hervor-
zutreten.62 Er hielt sich damals in Rom auf; er gehörte zum Gefolge
des Kardinals Giacomo Colonna, und ihm, seinem Protektor, hat er
61 S. z. B. de Rougemont, a.a.O. (Anm. 2),S. 52ff; Foerster, a.a.O. (Anm. 1), S.
48ff.; ferner G. Barraclough, Die Einheit Europas als Gedanke und Tat, Göttin-
gen 1964, S. 20f. Vgl. auch J. Huizinga, „Wachstum und Formen des nationalen
Bewußtseins in Europa bis zum Ende des 19. Jahrhunderts“, in Im Bann der
Geschichte, Basel 1943, S. 150ff.
62 Zum Folgenden s. H . Heimpel, „Alexander von Roes und das deutsche Selbst-
bewußtsein des 13. Jahrhunderts“, Archiv für Kulturgeschichte 26, 1936, S. 19ff;
H. Grundmann, „Über die Schriften des Alexander von Roes“, Deutsches Archiv
für die Erforschung des Mittelalters 8, 1951, S. 154ff.