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Fuhrmann, Manfred; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1994, 4. Abhandlung): Alexander von Roes - ein Wegbereiter des Europagedankens?: vorgetragen am 16. Februar 1991 — Heidelberg: Winter, 1994

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https://doi.org/10.11588/diglit.48173#0031
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Alexander von Roes

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sen, die vorzüglichsten Menschen, die es gebe (Kap. 14). Alexander
sucht diesem Gerede auf zweierlei Weise zu begegnen. Er beruft
sich einerseits auf den Verlauf der Geschichte, auf Überlieferun-
gen, die, großenteils legendär, von ihm selbst und von seinen Zeit-
genossen für unanfechtbar gehalten wurden: auf den angeblichen
trojanischen Ursprung der Franken (der sie zu Verwandten der
Römer macht) u. a.; er schlägt andererseits, wie gesagt, einen
Geschäftsverteilungsplan unter den damals wichtigsten Völkern
Europas (den Italienern, den Deutschen und den Franzosen) vor,
der sich aus deren je verschiedenem Nationalcharakter ableiten
lasse.
Der geschichtliche Beweis ist das Hauptthema der ersten
Abhandlung, des Memoriale. Alexander äußert sich zunächst zum
Anlaß der Schrift: er habe in den Meßbüchern, die man in Rom ver-
wende, die sonst übliche Fürbitte für den deutschen König ver-
mißt; man scheine dort zu glauben, daß die Kirche ohne das Reich
zu existieren vermöge (Kap. 2). Hiermit ist das erste Probandum
eingeführt; Alexander nennt die biblischen Grundlagen der beiden
universalen Mächte, wobei er sich einer älteren Zusammenstellung
der Hauptzeugnisse für Jesu Lehre von den zwei Reichen bedient
(Kap. 4-9).64 Nunmehr ist die Notwendigkeit sowohl der geist-
lichen als auch der weltlichen Macht und zumal die heilsgeschicht-
liche, die das Kommen des Antichrist verhindernde Funktion der
letzteren dargetan, und so wendet sich Alexander dem eigentlichen
Gegenstand seines Geschichtsbeweises zu: der translatio imperii
von den Römern auf die Franken und Deutschen.
Hier, bei seinem Hauptpunkt, dem propositum principale, sieht
sich Alexander mit einer Schwierigkeit konfrontiert: die Franzosen
geben ihre Abkunft von den Franken, den Verwandten der Römer,
schon durch ihren Namen zu erkennen: hätte demnach das römi-
sche Reich nicht auf sie übergehen müssen, statt auf die Deut-
schen? Alexander steht angesichts dieses Problems nicht an zu
beweisen, daß die Deutschen die wahren Franken seien, die Fran-
zosen hingegen nur Francigenae, „Abkömmlinge von Franken“, ein
Mischvolk aus Franken und gallischen Frauen, wobei er seine ris-
kante Beweisführung insbesondere auf Namensetymologien und
Namensgleichungen stützt (Kap. 15-19). Mit der translatio imperii
64 Die Zusammenstellung stammt aus der Feder des Jordanus von Osnabrück,
der lange als Verfasser des ganzen Memoriale galt; s. die Einleitung zur Aus-
gabe von Grundmann und Heimpel (Anm. 57), S. If.
 
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