Cusanus-Studien
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rung des ersten Bandes der „Acta Cusana“mit den Stellungnahmen
des Cusanus aus der Schismazeit von 1438 bis 1446 zeigt sofort, wie
sachlich unangemessen das gewesen wäre. Diese Texte fügen sich
nämlich in einen über ein volles Jahrzehnt hinwegreichenden
Handlungsverlauf ein, in den sie durch zahlreiche andere Stücke:
Briefe, Mandate, vor allem Gegenschriften, so miteinander verwo-
ben sind, daß ihre Isolierung als Einzelnummern in einem Band
„Traktate“ die Zusammenhänge völlig zerrissen hätte. Da eine
Reihe solcher Texte zudem in Briefform abgefaßt sind52 53, zur glei-
chen Zeit aber auch Briefe im engeren Sinne existieren, die ihrer-
seits wieder Äußerungen grundsätzlicher Art enthalten33, wären oft
recht willkürliche Entscheidungen über Zuordnung und Ausschluß
einzelner Stücke zu treffen gewesen. Die „Acta Cusana“ versuchen
hingegen - ich weiß nicht, ob eben das für einen anderen Autor in
dieser Weise irgendwo geschehen ist - die Vielgestaltigkeit längerer
und kürzerer Abhandlungen, bis hin zu Kurznotizen, in einem
geschlossenen Ablauf wiederzugeben, der sich ganz und gar biogra-
phisch-chronologisch, nicht an Materien oder Gattungen orien-
tiert.54 Auf diese Weise wird nachvollziehbar, daß Nikolaus mögli-
cherweise von einem auf den anderen Tag philosophieren, Rech-
nungen durchkorrigieren, predigen, Freundesbriefe konzipieren
konnte.
Damit wären auch schon die mit den Bezeichnungen als „Briefe“
und „Dokumente“ nur ganz vage umschriebenen Stücke genannt,
hinter denen sich eine heterogene Fülle von Texten verbirgt. Jede
Äußerung kann - wie schon gesagt - in Briefform abgefaßt sein.
Dem Brief an Rodrigo Sänchez wären etwa die sog. „Böhmenbriefe“
beizugesellen, die ganz und gar theologischen Charakters sind und
52 Z.B. AC 1/2 Nr. 408, 448, 468, 469, 481, 516 und 527.
53 Nur als Beispiel der oben in Anm. 24 genannte Brief über das Judendekret. Aus
dem in AC bereits Edierten vgl. etwa 1/2 Nr. 397,449 und 482. Wie der Vergleich
der in Anm. 52 und 53 genannten Stücke zeigt, sind die Grenzen zwischen
ihnen fließend.
54 In den Rezensionen der beiden ersten Lieferungen der „Acta Cusana“ kommt
die diesbezügliche Singularität mehrfach zur Sprache. J. Miethke verweist in:
Mittellat. Jb. 15 (1980) 251 auf P. Classens entsprechendes Vorgehen bei Ger-
hoch von Reichersberg und Burgundio von Pisa, K.-H. Kandier in: Theol. Lite-
raturzeitung 111 (1986) 40 auf L. Sturleses ähnliche Bemühung um Dietrich von
Freiberg; doch merken beide sogleich auch die Inkommensurabilität an, die
sich allein schon aus den Unterschieden in der Materialfülle gegenüber dem
Kirchenmann des 15. Jahrhunderts ergibt.
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rung des ersten Bandes der „Acta Cusana“mit den Stellungnahmen
des Cusanus aus der Schismazeit von 1438 bis 1446 zeigt sofort, wie
sachlich unangemessen das gewesen wäre. Diese Texte fügen sich
nämlich in einen über ein volles Jahrzehnt hinwegreichenden
Handlungsverlauf ein, in den sie durch zahlreiche andere Stücke:
Briefe, Mandate, vor allem Gegenschriften, so miteinander verwo-
ben sind, daß ihre Isolierung als Einzelnummern in einem Band
„Traktate“ die Zusammenhänge völlig zerrissen hätte. Da eine
Reihe solcher Texte zudem in Briefform abgefaßt sind52 53, zur glei-
chen Zeit aber auch Briefe im engeren Sinne existieren, die ihrer-
seits wieder Äußerungen grundsätzlicher Art enthalten33, wären oft
recht willkürliche Entscheidungen über Zuordnung und Ausschluß
einzelner Stücke zu treffen gewesen. Die „Acta Cusana“ versuchen
hingegen - ich weiß nicht, ob eben das für einen anderen Autor in
dieser Weise irgendwo geschehen ist - die Vielgestaltigkeit längerer
und kürzerer Abhandlungen, bis hin zu Kurznotizen, in einem
geschlossenen Ablauf wiederzugeben, der sich ganz und gar biogra-
phisch-chronologisch, nicht an Materien oder Gattungen orien-
tiert.54 Auf diese Weise wird nachvollziehbar, daß Nikolaus mögli-
cherweise von einem auf den anderen Tag philosophieren, Rech-
nungen durchkorrigieren, predigen, Freundesbriefe konzipieren
konnte.
Damit wären auch schon die mit den Bezeichnungen als „Briefe“
und „Dokumente“ nur ganz vage umschriebenen Stücke genannt,
hinter denen sich eine heterogene Fülle von Texten verbirgt. Jede
Äußerung kann - wie schon gesagt - in Briefform abgefaßt sein.
Dem Brief an Rodrigo Sänchez wären etwa die sog. „Böhmenbriefe“
beizugesellen, die ganz und gar theologischen Charakters sind und
52 Z.B. AC 1/2 Nr. 408, 448, 468, 469, 481, 516 und 527.
53 Nur als Beispiel der oben in Anm. 24 genannte Brief über das Judendekret. Aus
dem in AC bereits Edierten vgl. etwa 1/2 Nr. 397,449 und 482. Wie der Vergleich
der in Anm. 52 und 53 genannten Stücke zeigt, sind die Grenzen zwischen
ihnen fließend.
54 In den Rezensionen der beiden ersten Lieferungen der „Acta Cusana“ kommt
die diesbezügliche Singularität mehrfach zur Sprache. J. Miethke verweist in:
Mittellat. Jb. 15 (1980) 251 auf P. Classens entsprechendes Vorgehen bei Ger-
hoch von Reichersberg und Burgundio von Pisa, K.-H. Kandier in: Theol. Lite-
raturzeitung 111 (1986) 40 auf L. Sturleses ähnliche Bemühung um Dietrich von
Freiberg; doch merken beide sogleich auch die Inkommensurabilität an, die
sich allein schon aus den Unterschieden in der Materialfülle gegenüber dem
Kirchenmann des 15. Jahrhunderts ergibt.