DAS YM SELBS
53
werden uß dem buch gottes. Also Paulus, den (wie er schreibt) von der
liebe gottes in Christo Jhesu unserm herren nit scheyden mocht weder
tod noch leben noch engel noch fürstenthumb noch gewalt noch gegen-
wertiges noch zukünftiges noch hohes noch tyeffes noch kein andere
5 creatur mochte von Christo nit verbannt werden, noch52 dieweil die
liebe gottes in Christo Jhesu in ym so groß was, wie Christus sich für
die sünd der andern hat hingeben, also auch Paulus, | uff das er vil zu
gott möchte bringen, zu meren die eer gottes, von des lieb er nit mochte
abgescheyden werden, begert und wünschet (als dann ernstlich begyrd
10 offt unmüglichs wünschet), von Christo verbannt zu werden53, nit das
er von der liebe Christi wölte abfallen, sonder mer von wegen der
grösse diser liebe wolte er der gnad und benedeyung Christi beraubt
sein, uff das die an seine brüder reychet und für sich einigen den er,
wie er auch ad Phil. ii. [5 ff.] gelernet54 hatt, geringer schetzet dann
15 yemant anders vil andere zu erkantnüß Christi kämen55, gott zu ewigem
preiß und lob. Und das heisßt der andern bürde tragen, domit das
gesatz Christi erfüllt würt. Das wiewol wir all gegeneinander thun
sollen, yedoch gebürt solchs fürnemlich denen, die an der aposteln statt
uns fürsehen und Christi ampt vertretten, die fürnemsten dyener
20 Christi und schaffner der geheymnüß gottes. Dann auch Paulus ad
Phil, schreibt, acht zu haben uff die, die do wanderten, wie sye yn zu
eim fürbild hetten. Und ein solch fürbild den gläubigen fürzutragen,
ermanet er Tim.56 und Titum57 gar fleissig.
Darumb ist mit höchstem fleiß gott zu bitten, das alle die, so sich
25 apostolischer würden underzyehen und sich nit allein an der Apostelen,
sonder auch Christi statt gesetzt haben, die genanten geistlichen prelaten,
nit so gar weit vom exempel Christi und der aposteleng sein wölten,
und ob sye schon zu der volkummenheit der liebe noch nit kummen
möchten, das sye ir seligkeit umb irer nechsten und unnderthon seligkeit
Rom. xiii. [38-39]
B 3 b
Gal. vi} [2]
1. Cor. iiii. [ 1]
Phil. iii. [ij]
f) Gal. v. - g) apostolen.
52. Doch.
5 3. Strohl bemerkt zur Stelle, daß B.s Ausführungen in die Richtung des Gedankens
von der resignatio ad infernum gehen, wie er von der Deutschen Mystik, insbesondere
von dem Straßburger Dominikaner Tauler vertreten wurde (vgl. zur Verwendung
dieser Vorstellung bei Luther Holl I, S. 150 ff., und A.. V. Müller, a.a.O., S. 187 ff.).
Allerdings ist bei B. nun der Gedanke in einer ganz bestimmten Abzweckung aus-
gesprochen: Der Blick ist nicht auf die eigene Rechtfertigung oder auf die Erwählung
gerichtet, sondern auf den seelsorgerlichen Dienst am Nächsten.
54. Gelehrt.
55. ... und für sich als einzelnen (= an der Stelle seiner selbst als eines einzelnen),
den er, wie er auch ad Phil. 2 gelehret hat, geringer schätzt denn jemand anders, viel
andere zur Erkenntnis Christi kämen ...
56. Vgl. 1 Tim 4,12. 57. Vgl. Tit 2,7.
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werden uß dem buch gottes. Also Paulus, den (wie er schreibt) von der
liebe gottes in Christo Jhesu unserm herren nit scheyden mocht weder
tod noch leben noch engel noch fürstenthumb noch gewalt noch gegen-
wertiges noch zukünftiges noch hohes noch tyeffes noch kein andere
5 creatur mochte von Christo nit verbannt werden, noch52 dieweil die
liebe gottes in Christo Jhesu in ym so groß was, wie Christus sich für
die sünd der andern hat hingeben, also auch Paulus, | uff das er vil zu
gott möchte bringen, zu meren die eer gottes, von des lieb er nit mochte
abgescheyden werden, begert und wünschet (als dann ernstlich begyrd
10 offt unmüglichs wünschet), von Christo verbannt zu werden53, nit das
er von der liebe Christi wölte abfallen, sonder mer von wegen der
grösse diser liebe wolte er der gnad und benedeyung Christi beraubt
sein, uff das die an seine brüder reychet und für sich einigen den er,
wie er auch ad Phil. ii. [5 ff.] gelernet54 hatt, geringer schetzet dann
15 yemant anders vil andere zu erkantnüß Christi kämen55, gott zu ewigem
preiß und lob. Und das heisßt der andern bürde tragen, domit das
gesatz Christi erfüllt würt. Das wiewol wir all gegeneinander thun
sollen, yedoch gebürt solchs fürnemlich denen, die an der aposteln statt
uns fürsehen und Christi ampt vertretten, die fürnemsten dyener
20 Christi und schaffner der geheymnüß gottes. Dann auch Paulus ad
Phil, schreibt, acht zu haben uff die, die do wanderten, wie sye yn zu
eim fürbild hetten. Und ein solch fürbild den gläubigen fürzutragen,
ermanet er Tim.56 und Titum57 gar fleissig.
Darumb ist mit höchstem fleiß gott zu bitten, das alle die, so sich
25 apostolischer würden underzyehen und sich nit allein an der Apostelen,
sonder auch Christi statt gesetzt haben, die genanten geistlichen prelaten,
nit so gar weit vom exempel Christi und der aposteleng sein wölten,
und ob sye schon zu der volkummenheit der liebe noch nit kummen
möchten, das sye ir seligkeit umb irer nechsten und unnderthon seligkeit
Rom. xiii. [38-39]
B 3 b
Gal. vi} [2]
1. Cor. iiii. [ 1]
Phil. iii. [ij]
f) Gal. v. - g) apostolen.
52. Doch.
5 3. Strohl bemerkt zur Stelle, daß B.s Ausführungen in die Richtung des Gedankens
von der resignatio ad infernum gehen, wie er von der Deutschen Mystik, insbesondere
von dem Straßburger Dominikaner Tauler vertreten wurde (vgl. zur Verwendung
dieser Vorstellung bei Luther Holl I, S. 150 ff., und A.. V. Müller, a.a.O., S. 187 ff.).
Allerdings ist bei B. nun der Gedanke in einer ganz bestimmten Abzweckung aus-
gesprochen: Der Blick ist nicht auf die eigene Rechtfertigung oder auf die Erwählung
gerichtet, sondern auf den seelsorgerlichen Dienst am Nächsten.
54. Gelehrt.
55. ... und für sich als einzelnen (= an der Stelle seiner selbst als eines einzelnen),
den er, wie er auch ad Phil. 2 gelehret hat, geringer schätzt denn jemand anders, viel
andere zur Erkenntnis Christi kämen ...
56. Vgl. 1 Tim 4,12. 57. Vgl. Tit 2,7.