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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 1): Frühschriften 1520 - 1524 — Gütersloh, 1960

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https://doi.org/10.11588/diglit.29138#0202
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MARTIN BUCERS FRÜHSCHRIFTEN

der wind die spreüwern, ja sye gleichen sich im in allen dingen, wie
wasser und fewer, nacht und tag, hell und himel. In Christo sicht man
nichts denn demut und zeitlich Verachtung, bey inen ist eytel bracht und
stoltze, in Christo armut und aber ein gemüt, das jederman zu helffen
alzeit bereit ist, bey inen reichtumb und geytz, dem die erd zu eng ist, 5
A4a by Christo findt man eitel sanfft | mut und miltikeit, bey inen krieg,
mordt, verdammen unverhörter sach, vertreiben, brennen und tilcken.
bey Christo stete lere und predig, bey inen flüssen18 und jagen. In
summa: Christus tregt allenthalb das creütz, auff das er andern helffe,
so lassen sye sich in senfften füren und legen das creütz auff alle, die 10
sye nit wellen anbetten. Christus nimpt nichts und gibt jederman ver-
gebens, so nemen sye von jederman und geben nyemant nichts ver-
gebens, es weren dann hübsche frewlin und kurtzweilige spileüt19.
Darum, G.H., so Christus so ernstlich spricht: setzet entweder einen
guten baum, so würt die frucht gut, oder setzt einen faulen baum, so würt die 15
frucht faul, denn an der frucht kent man den baum. Ir naterngezicht, wie kündt
ir guts reden, dieweyl ir böß seyt, wes das hertz vol ist, gehet der mund über.
Ein gut mensch bringt guts herfür uß seinem guten schatz, und ein böser mensch
bringt böses herfür auß seinem bösen schatz, Math. 12b [33-35]- Und menigk-
lich sicht solche frücht an unsern genanten geistlichen und auch allen 20
iren fürfechtern, die sich Christlichen geistlichen vättern eben zimmen,
wie dan zapffen an feygenbäum, so muß man doch sehen und bekennen,
das es faul beüm seind, darumb mögen ire räth, ler und satzung auch
nit Christlich sein, wes das hertz vol ist, get der mund über. Darum wo sye
sollen rathen, wie man die Christen Christlich leren und regieren sol, 25
ist es eben, als so man den schaffen wolte trewe hirten setzen und
neme des die wölff zu rath. Es leit am tag und mag nit geleücknet
werden, das sye got nit suchen, denn sye wurden sunst anderst leben;
iren pracht und wolust suchen sye, was wolten sye dann für guts rathen
oder fürnemen ? 30
Solichs ist auch wol bey dem abzunemen, das sye sich so engstlich
bearbeiten, das die sachen unsers glaubens und Christlicher lere zu
keiner offentlichen verhör kummen, sonder das alle, so irs gefallens nit |
A4b predigen, unverhört verdampt werden. Christus mag aber nit liegen, der
do spricht: wer args thut, der hasset das liecht und kumpt nit an das liecht, 35
auff das seine werck nit gestraffet werden. Wer aber die warheit thut, der kompt
b) Matth. 11. AB.
18. Flössen (Flüssen) = ein Kartenspiel, etwa »Pochen«. Vgl. Grimm III, Sp. 1853.
19. Auf den Widerspruch zwischen dem Reichtum der Kirche, der Hofhaltung
der Prälaten und der Armut Christi ist seit dem 12. Jahrhundert immer wieder hin-
gewiesen worden. Für unsere Zeit vgl. Luther, WA 6,416 und 418ff. (An den christ-
lichen Adel, 1520). Ebenfalls vgl. WA 6,288f. (Von dem Papsttum zu Rom ..., 1520).
 
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