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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 1): Frühschriften 1520 - 1524 — Gütersloh, 1960

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https://doi.org/10.11588/diglit.29138#0395
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DUBIOSA

391
weltliche Macht und Herrschaft sollen die Geistlichen verzichten. Der
Bann soll nicht mehr zur Ausdehnung der klerikalen Macht, sondern
wieder zur Besserung des christlichen Volkes gebraucht werden. Die
Gewalt der Priester besteht nach dem Willen Christi darin, die Irrenden
in Sanftmut zu bitten und zu vermanen. Christus hat befohlen, sich von
dem Ketzer zu trennen, das ist der wahre Bann.
Mit dem Verzicht auf weltliche Macht soll auch aller Prunk in der
Kirche abgetan werden. Das Geld soll man lieber den armen Christen-
leuten geben, die ja die wirkliche Kirche sind, denn Gott will nicht
kostbare Kirchen, sondern, daß den Armen geholfen wird. Das kirch-
liche Denken erhält hier eine soziale Wendung.
Überhaupt liegt dem Glauben nichts an äußerlichen Kirchengebräu-
chen und Zeremonien, denn Gott wird im Geist angebetet. Sakrale
Räume, kostbare Heiligenbilder und Orgelspiel dienen nur der Habsucht
und dem Aberglauben. Sie sind deshalb in der Christenheit abzutun -
denn alles soll geistlich gerichtet sein.
Für die Durchführung dieser Reformen ist das christliche Volk mit
verantwortlich. Deshalb muß im Notfall die Geistlichkeit gezwungen
werden, von wem sagt der Verfasser nicht - wohl von der Obrigkeit —,
wie die Apostel und die alten Bischöfe und Pfarrer zu leben und das
Volk mit der Lehre Christi zu versorgen. In der äußersten Not muß
dann das schändliche Glied vom Körper abgetrennt werden, wie
Christus geboten hat, doch zunächst soll die Geistlichkeit mit Ermah-
nungen bedrängt werden, den Christenglauben zu lehren, wie ihn Christus
lehrt.
Die Gedankenwelt des Neukarsthans, wie sie nun vor uns steht, ist
verwandt mit der des Reformhumanismus, der den Verfall der Kirche
durch das unsittliche Leben der Geistlichkeit bedingt sieht. Die falsche
Lehre ist nur aus falschem Leben erwachsen. Die Kirchenkritik des
»Lobs der Torheit« und erasmische Reformgedanken haben den Ver-
fasser bestimmt: Christus als Lehrer und Vorbild, die vita apostolica als
Vorbild für den Klerus, die Kritik der Mönchsethik. In der Ablehnung
der Zeremonien trifft sich der Verfasser mit Erasmus auch in den Einzel-
heiten, so lehnt auch Erasmus das Orgelspiel ab47. Wie sehr sich Huttens
Anschauungen im Neukarsthans finden lassen, ist von Strauß und Köhler
nachgewiesen worden. Auch finden sich Anklänge an Luthers Schrift
»An den christlichen Adel«, auf die im zweiten Apparat unserer Ausgabe
hingewiesen ist.
Doch darf Luthers Einfluß auf den Neukarsthans nicht überschätzt
werden. Die eigentlichen Autoritäten des Verfassers sind Erasmus von
Rotterdam und Ulrich von Hutten.

47. Vgl .Erasmus, CI. VI, 731 f.
 
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