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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]; Buckwalter, Stephen E. [Bearb.]; Schulz, Hans [Bearb.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 10): Schriften zu Ehe und Eherecht — Gütersloh, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.30230#0135
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IO. EHESCHEIDUNG UND WIEDERHEIRAT IM FALLE VON LEPRA I 3 I
Aussage Martin Luthers, m welcher der Wittenberger Reformator eine den Ansprü-
chen des römischen Rechts genügende Eheschließung angeblich als christlich gültig
darstellt.10 Zwar enthalte das römische Recht keine Bestimmung zur Ehescheidung
bei Lepra, es lasse aber die Ehescheidung bei gegenseitigem Einvernehmen der Be-
troffenen zu.
Da tn dem vorhegenden Fall beide Ehepartner sich in der Einschätzung der Situa-
tion völlig einig seien und die leprakranke Ehefrau einsehe, daß Gott selbst ihre Ehe
geschieden und sie zur Ehe unfähig gemacht habe, dürfe der Mann erneut heiraten
und könne mit dieser Handlung vor Gott bestehen.
Aufgrund des Zitates aus Luthers Vorrede zur Schrift »Wie in Ehesachen ... nach
götthchem billichem Rechten christenlich zu handeln sei«11 des schwäbischen Re-
formators Johannes Brenz (1499-1570) ergibt sich als terminus post quem für die
Abfassung des vorliegenden Gutachtens das letzte Drittel des Jahres 1531.12 Auffäl-
lig sind die großen Unterschiede zu dem ersten, vermutlich nur sechs Jahre zuvor
verfaßten Gutachten zur Ehescheidung bei Lepra.13 Während dort große Sorgfalt
angewandt wird, damit der aus seelsorgerhchen Erwägungen heraus erteilte Rat zur
Scheidung und Wiederheirat mcht als pauschale Erlaubnis mißbraucht wird, lassen
die hier aufgestellten Grundsätze Bucers keinen Zweifel an der Allgemeingültigkeit
ihrer Schlußfolgerungen aufkommen. Die dort hervorgehobene Verantwortung des
gesunden Ehepartners gegenüber der Gesellschaft, der er sich bei emer Fortsetzung
der ehelichen Gemeinschaft mit der leprakranken Frau entzöge14, weicht hier völlig
dem Anspruch des Mannes, eine Ehefrau haben zu dürfen, die tatsächlich alle Be-
dingungen einer Ehefrau erfüllt.
Das Gutachten mag auf Bitten des am 16. Dezember 1529 geschaffenen Straß-
burger Ehegerichtes15 verfaßt worden sein. Da die Protokolle des Straßburger Ehe-
gerichts nicht erhalten sind16, läßt sich dies mcht nachprüfen. Jedenfalls wirken die
Ausführungen Bucers hier wie eine Vorstufe zu den ausgereifteren Uberlegungen
zum selben Thema in seiner großen, am 26. November 1533 abgeschlossenen Ulmer
Eheschrift.17 Dies spricht für eine Entstehung im Laufe des Jahres 1532.

10. Luther spncht vom »welthchen« und nicht vom »römischen« Recht (vgl. unten S. 136,
Anm. 66). In seinen Ulmer und Augsburger Eheschriften (vgl. unten S. 379,2-9 und 467,12-20) gibt
Bucer das Lutherzitat richtig wieder. Vgl. auch unten S. 136, Anm. 66.
11. Edition m: Brenz, Frühschriften 2, S. 253—296.
12. Vgl. WA30III, S.479.
13. Vgl. oben Nr.2, S.33-37.
14. Vgl. oben S. 34,18—21.
15. Dieses ausschheßhch von Laien besetzte Gericht bestand aus drei Mitghedern des Großen
Rates und zwei der XXI. Es hatte über alle Ehesachen zu entscheiden, konnte aber m besonders
schwierigen Fällen einen oder zwei Prädikanten zu Rate ziehen. Vgl. Köhler, Zürcher Ehegencht II,
S. 395; Wendel, Le mariage ä Strasbourg, S. 77; Abray, S. 188.
16. Köhler, Zürcher Ehegencht II, S.398; Abray, S. 188. Vgl. auch oben S. 31, Anm.9.
17. Vgl. unten S. 357,1-369,15.
 
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