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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]; Buckwalter, Stephen E. [Bearb.]; Schulz, Hans [Bearb.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 10): Schriften zu Ehe und Eherecht — Gütersloh, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.30230#0146
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I I. GUTACHTEN FUR DEN BERNER RAT

Strafen und beschlossenen Begnadigungen sollten immer berücksichtigen, was die
allgemeine Ehrbarkeit fördere [6r-yr].
Dann erst nehmen Capito und Bucer zu der ersten der ihnen gestellten Fragen
präzise Stellung [yv]' Die welthche Obrigkeit soll in der Tat eine trotz ihres Verbotes
gescblossene Ehe als gültig anerkennen, wenn es sich herausstellen sollte, daß die
Eheschließung vorgenommen wurde, um ein gottseliges Leben zu führen, sie tat-
sächlich dazu dienhch lst und der Betroffene die notwendige Strafe für sein Verge-
hen bereitwillig auf sich mmmt.
Was die zweite Frage - ob die, die miteinander Ehebruch begangen haben, anschlie-
ßend eme Ehe mitemander eingehen dürfen - angeht, finden die Straßburger, daß
eine solche Vereimgung, so sittenwidrig und verabscheuungswürdig sie auch ist, er-
laubt werden könne, wenn mit ihr der allgemeinen Ehrbarkeit mehr als durch ihr
Verbot gedient werde [8r]. Sie betonen, daß es ihnen hierbei keineswegs um den
leichtfertigen Umgang mit Gesetzestexten gehe. Diese kommen jedoch nur dann
richtig zur Geltung, wenn gottesfürchtige und weise Richter bei ihrer Anwendung
dasjenige, »was recht vnd m gemeyn der erbarkeyt« dienlich ist, lm Auge behalten
[8V-S>r]-

3. Wirkung
Ob die vom Berner Rat eingesetzte Untersuchungskommission überhaupt auf eine
Antwort aus Straßburg gewartet hat, ist ungewiß. Denn bereits am 24. Januar 1533
trat sie zusammen, um in Anlehnung an ein inzwischen aus Zürich eingetroffenes
Gutachten konkrete Beschlüsse zu fassen. Die Entscheidung der Kommission zur
ersten Frage hätte von der Straßburger Empfehlung nicht weiter entfernt ausfallen
können: Eine ohne Erlaubnis des Ehegerichtes geschlossene Ehe sei für alle Zeiten
als rechtsunwirksam anzusehen.22 In der zweiten Frage entschied man, ebenfalls der
Zürcher Empfehlung folgend, die Vermählung mit demjenigen, mit dem man die
Ehe gebrochen hatte, »unter allen Umständen ohne Ausnahme« zu verbieten.23 Am
2. Februar 1533 wurden die Kommissionsbeschlüsse durch Ratsmandat bestätigt.24
Da die Zürcher Ehegerichtspraxis ohnehin eine bedeutende Vorbildfunktion für
den Berner Rat hatte, ist es denkbar, daß die Basler, Konstanzer und Straßburger
Gutachten von vornherein kaum Chancen auf Berücksichtigung hatten. Jedenfalls
22. »Wann ein eebruchige person, so von lrem gemachel gescheiden lst, sich an erloupnuß des ee-
grichts in die ee verpfhchtet, soll solhchs m die ewigkeyt weder vor noch nach m unsern landen und
gepietten kein ee sin, und solche züsagen weder statt noch kraft haben, sonders gar unnutz sin und
nüt galten«, Rennefahrt, Rechtsquellen des Kantons Bern, S. 390,15-19. Vgl. auch Köhler, Zürcher
Ehegericht I, S. 336.
23. Köhler, Zürcher Ehegericht I, S.336. Vgl. Rennefahrt, Rechtsquellen des Kantons Bern,
S. 390,33-37. Vgl. auch unten Nr. 14, S.477-485.
24. Köhler, Zürcher Ehegericht I, S. 337. Es wurden zahlreiche Änderungen an dem Text der
Ehegenchtsordnung vorgenommen. Der vollständige Text der Ergänzungen bei Rennefahrt,
Rechtsquellen des Kantons Bern, S. 389,28-399,28.
 
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