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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]; Buckwalter, Stephen E. [Bearb.]; Schulz, Hans [Bearb.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 10): Schriften zu Ehe und Eherecht — Gütersloh, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.30230#0188
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12. GUTACHTEN FUR DEN ULMER RAT

etwas fehlet, inn fil weg solichs erstatten vnnd nmehr dan ein weib” erziehen1,
Darin mann dan inen auch ehr° dan den armen zusihet. So vermag auch das zeitlich
güt, freintschaft2 vnnd weltlich ere nit wenig dazu, das sie dulden, welches inen
sunst vntraglich were. Dazu haben sie auch gar fil mittel, wo schon? fehl3 ist, qden
selbigen? zu verschlagen'4, welche die armen nit haben. Vnnd ob es schon nit ^al-
weg5 gerahtet5, so kan mann inen doch wol durch die finger sehen6, auß welchen
vrsachen allen gar vil wenigers scheyden vonn reichen dann von armen begeret
würdt, Vnnd wan schon scheidung fürfellet7, haben sie on das8 nit groß verlangen
nach anderen ehweiberen, das sie newe heyraht begereten, wissen sich sunst wol zu-
behelffenn9.
Aber1 den armen tsts weitu anders: da hat emer em weib, fehlet ’im I 4” I die% so ligt
er gar10; tregt sich dan etwas vnrechts zu, so ists auch eer11 am tag 2. Wo dan ein
erenw13 gemüt14, mag15 mann der büberey16 nit zu sehen17. Scheidet mann sich dan,
so darff18 der armx einer haußhelterin vnnd einer ehlichen19. Dieweil err aber arm

n)—n) neben einem Weib wol ein andere: Ed. 1—3. — o) mehr: b.
p) davor am linken Rand gestr. unleserliche Worte m a. — q)—q) diesen: Ed. 1—3.
r) erschlagen: b; zuuorschlagen: Ed. 1, Ed.2; zuuerschlagen: Ed. 3.
s) —s) allzeit geachtet: b. - t) Aber mit: b; Ed. 1-3. - u) weit ein: Ed. 1-3.
y)—v) sie jm: Ed. 3. - w) ehrlich: Ed. 1— 3. — x) Mann: b.
1. unterhalten, ernähren.
2. Verwandtschaft.
3. Mangel.
4. verbergen. Grimm 25 (= XII, 1), Sp. 1088f.
5. immer.
6. Nachsicht üben, stillschweigend dulden, ein Auge zudrücken. Röhrich, Sprichwörtliche Re-
densarten I, S.273; Grimm 3, Sp. 1654.
7. vorkommt.
8. on das: außerdem, 1m übrigen, ohnehin.
9. Bucer spielt hier auf die Möghchkeit der Wohlhabenden an, Konkubinatsverhältnisse zu un-
terhalten und geheimzuhalten.
10. so liegt er ganz hilflos. Vgl. Grimm 12 (= VI), Sp. 1001.
11. früher, eher.
12. kommt zum Vorschein. Grimm 21 (= XI, 1,1), Sp.40.
13. Gen. des Nomens »Ehre«, als Kompositum zu »Gemüt«.
14. Gesinnung, Ansinnen.
15. kann.
16. Hurerei, Sittenlosigkeit, Unzucht.
17. dulden, bewilligen. Grimm 32 (= XVI), Sp. 820; Baufeld, S. 262. Satzsinn: Wo dann eine Eh-
ren-Ansicht herrscht, kann man die Sittenlosigkeit nicht tolerieren.
18. bedarf, braucht.
19. sc. er braucht eine Gehilfin 1m praktischen Alltag sowie eine Ehefrau 1m eigenthchen Sinne,
mit der er m sexueller Gemeinschaft lebt. Diese Doppelbestimmung der Ehefrau als »gehülffe (nach
Gen 2,18) vnnd fleisch (gemäß Gen 2,24; I Kor 6,16; Mt 19,6) bzw. leib (vgl. Eph 5,28)« des Mannes
lst wesenthch für die Argumentation Bucers 1m gesamten Gutachten. Vgl. unten S. 200,9—12;
203,3-6; 211,18-212,4; 236,20h; 252,1h; 317,13-15; 324,8 h; 383,12; 401,15 f.
 
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