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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]; Buckwalter, Stephen E. [Bearb.]; Schulz, Hans [Bearb.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 10): Schriften zu Ehe und Eherecht — Gütersloh, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.30230#0334
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33°

12. GUTACHTEN FUR DEN ULMER RAT

notturfft1 amenschlichs lebens^ dahin getrungen, das sie scheidung zugeben des
vnglaubens halb2, der tiblen oder vnleidlichen haltung halb, so eins by seinem ge-
mahel seins lebens mt wol sicher ist, oder sunst uber sein vermögen ubel gehalten
würt - sie nennens saevitiam3 -, Item der condition, so einer hette eineb genommen,
die leib eigen were4, Item, wo nehere sipschafft5 were,6 weder7 sie wollen nach-
geben, wann schon die selbigen rnn gothchen vnnd k[aiserhch]en gesetzen nichs
hinderts, vnnd inn anderen fellen mehr.
Nun, wolte man die wort des herren: »was gott zusamen gefügt, solle der mensch
nit scheiden«9, Item: »wer sein weyb verlasset, außgenommen der buleryhalb«10,
etc., von einer ieden verstohn, die ein mal als ein ehweyb beschlaffen11, vnd die
hury12 oder bulerey allem lassen der scheydung vrsach seinla, wie konde man de-

a) —a) von Bucer vor den linken Rand geschneben und eingewiesen für gestr.: dermassen: a.
b) korr. aus: ein: a.

1. Bedürfmsse, Erfordermsse.
2. Vgl. oben S. 318,10-319,4.
3. Ab Ende des 13. Jahrhunderts galt die Grausamkeit (»saevitia«) des Ehegatten als von geistli-
chen Ehegerichten anerkannter Trennungsgrund. Vgl. Brundage, Sex, Law, and Chnstian Society,
S. 5 iof.
4. Vgl. Liber Extra, lib. 4, tit. 9, c. 2 und 4, Friedberg II, Sp. 692 f.
3. Verwandtschaft.
6. Das trennende Ehehindcrms dcr Blutsverwandtschaft (consangumitas) und der Schwäger-
schaft (affinitas), das 1m Laufe des Mittclalters eine Ausdehnung sogar auf den siebten Grad der
Verwandtschaft nach kanonisch—germamscher Zählung (14. Grad römischer Zählung) erfahren
hatte, wurde 1215 von Innocenz III. 1m Kanon 50 (Liber Extra, lib.4, tit. 19, c. 8, Friedberg II,
Sp. 703 f.) des 4. Laterankonzils auf einschheßhch den vierten Grad (kanomscher Zählung) der Sei-
tenlinie beschränkt (vgl. die Tafeln m Friedberg II, Sp. 1425 u. 1431). Trotz dieser relativen Liberali-
sierung blieben diese Ehehindermsse die Ursache vieler Irritationen und Konflikte, da sie kaum ein-
zuhalten waren und für Laien das Einreichen von kostspiehgen Dispensgesuchen bei Kirchenver-
tretern unvermeidhch machten. Vgl. Decr. Grat. II, C. 35, qu. 1 bis 10, Fnedberg I, Sp. 1261 — 1288,
bes. qu. 5, Friedberg I, Sp. 1271 —1277.
7. als (komp.).
8. Die bibhschen Grade dcr Blutsverwandtschaft m Lev 18,6— 18 umfassen einen bedeutend klei-
neren Kreis verwandtschafthcher Eheverbote, ebenso die kaiserlichen (Dig 23,2, z. B. leges 12: Si
qua, 17: Per adoptionem, 39: Sororis proneptem, 40: Aristo respondit, 55: Quin etiam, 56: Etiam si,
59: Senatus consulto; ClCiv I, S. 331-334), die mit den biblischen bis auf wenige Ausnahmen über-
einstimmen. Vgl. unten S. 444,6—446,2.
9. Mt 19,6.
10. Mt 19,9.
11. Für Gratian (gest. um 1150) und die Bologneser Schule kam der copula carnahs wesenthche
Bedeutung zu, da sie als Vollzug dcr Ehe verstanden wurde und das Eheband unauflöslich machte
(Gratian: »comugium desponsatione mitiatur, commixtione perficitur«, Friedberg I, Sp. 1073). Vgl.
dazu Decr. Grat. II, C. 27, qu. 2, c. 34 und 39, Friedberg I, Sp. 1073 f.; Liber Extra, lib. 4, tit. 1, c. 30,
Friedberg II, Sp. 672. Vgl. auch TRE 9, S. 335,18-24; Brundage, Law, Sex, and Christian Society,
S. 23 5 -238; Feine, S. 431.
12. Hurerei, Unzucht.
13. Zur Auffassung, daß Unzucht der einzige Scheidungsgrund (1m Sinne der »separatio a mensa
et thoro«) sei, vgl. etwa das Decretum pro Armeniis des Konzils von Florenz 1439 (DS 1327).
 
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