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I J. GUTACHTEN FUR PHILIPP VON HESSEN
4. Die Zulassung der Doppelehe gerade bei Menschen in hochrangigen Positio-
nen würde vielen emfachen, frommen Menschen Anstoß bereiten und sie moralisch
in die Irre führen. Die Sache des Evangehums würde dadurch einen schweren Scha-
den erleiden [15-20].
Sehr geschickt leitet Bucer den umfangreichen zweiten Teil seiner Uberlegungen —
der Argumente für eine Zulassung der Bigamie enthält - ein: Er beschreibt sie als
Meinung einer hypothetischen Gruppe von Menschen, welche davon ausgeht, daß
auch unter ausreichender Berücksichtigung der obengenannten vier Punkte (zu de-
nen sich diese Gruppe auch bekennt!), die Bigamie unter bestimmten Umständen
den Christen erlaubt werden könne, ebenso wie Gott sie einst den alttestament-
lichen Vätern und Königen erlaubte [22].
Für diese Meinung spreche ein einziges, sehr wichtiges Argument: Was Gott ein-
mal erlaubt hat, kann unmöghch grundsätzlich böse sein, sondern muß zu einem
gottgefälligen Leben beitragen können; wenn dieselben Umstände, die die Erlaub-
nis der Doppelehe bei den Menschen 1m Altcn Testament verursachten, auch heute
vorhanden seien, dürfe man durchaus von dieser götthchen Erlaubnis wieder Ge-
brauch machen [22-24]. Entscheidendes Kriterium für die Zulassung der Doppel-
ehe - einer unbestreitbar unvollkommenen Lebensform - sei die Verhütung eines
schlimmeren Übels, wie etwa des Ausschlusses aus dem Reich Gottes wegen Hure-
rei (vgl. Gal 5,19-21). Hierbei zieht Bucer Analogien mit der Erlaubms der Ehe-
scheidung, die ebenfalls eine unvollkommene Handlungsweise sei, welche jedoch
schlimmere Schäden verhüten und somit zu emem frommen und gottsehgen Leben
entscheidend beitragen könne [25-29]. Gott habe den Menschen unter Berücksich-
tigung ihrer Schwäche und lhrer Unvollkommenheit solche eheethischen Zu-
geständnisse gemacht. Deshalb dürften auch heute schwache Menschen hiervon
Gebrauch machen, auch wenn man die große Mehrheit weiterhin zur unbedingten
Beibehaltung der vollkommeneren Lebensform der monogamen Ehe anmahnen
sollte [30-3 5].
Zu den vier im ersten Teil genannten Argumenten gegen die Bigamie mmmt Bucer
sodann ausdrücklich Stellung:
1. Zur ursprünglichen Bestimmung der Ehe durch Gott gehöre mcht nur lhr mo-
nogamer Charakter, sondern auch, daß sie recht eingehalten werde. Die Doppelehe
dürfe durchaus erlaubt werden, wenn durch sie Hurerei, Ehebruch und andere sitt-
lichen Mißstände, die heute überhand nähmen, vermieden werden könnten, denn
diese Übel - und nicht eine Doppelehe an sich - tun dem götthchen Zweck der Ehe
Abbruch [36-41].
2. In der Tat sei es in einer bigamen Ehe schwierig, beide Gemahhnnen lmmer
gleich zu lieben; deshalb sei der unvollkommene Charakter einer Doppelehe gar
nicht zu leugnen. Aber auch als unvollkommene Lebensweise habe sie, da sie letzt-
lich eine eheliche Lebensweise sei, Anteil am Segen Gottes, ganz 1m Gegenteil zur
sexuellen Unmoral und zum Ehebruch, die den Verlust der Gnade Gottes zwingend
mit sich bringen [41-47].
I J. GUTACHTEN FUR PHILIPP VON HESSEN
4. Die Zulassung der Doppelehe gerade bei Menschen in hochrangigen Positio-
nen würde vielen emfachen, frommen Menschen Anstoß bereiten und sie moralisch
in die Irre führen. Die Sache des Evangehums würde dadurch einen schweren Scha-
den erleiden [15-20].
Sehr geschickt leitet Bucer den umfangreichen zweiten Teil seiner Uberlegungen —
der Argumente für eine Zulassung der Bigamie enthält - ein: Er beschreibt sie als
Meinung einer hypothetischen Gruppe von Menschen, welche davon ausgeht, daß
auch unter ausreichender Berücksichtigung der obengenannten vier Punkte (zu de-
nen sich diese Gruppe auch bekennt!), die Bigamie unter bestimmten Umständen
den Christen erlaubt werden könne, ebenso wie Gott sie einst den alttestament-
lichen Vätern und Königen erlaubte [22].
Für diese Meinung spreche ein einziges, sehr wichtiges Argument: Was Gott ein-
mal erlaubt hat, kann unmöghch grundsätzlich böse sein, sondern muß zu einem
gottgefälligen Leben beitragen können; wenn dieselben Umstände, die die Erlaub-
nis der Doppelehe bei den Menschen 1m Altcn Testament verursachten, auch heute
vorhanden seien, dürfe man durchaus von dieser götthchen Erlaubnis wieder Ge-
brauch machen [22-24]. Entscheidendes Kriterium für die Zulassung der Doppel-
ehe - einer unbestreitbar unvollkommenen Lebensform - sei die Verhütung eines
schlimmeren Übels, wie etwa des Ausschlusses aus dem Reich Gottes wegen Hure-
rei (vgl. Gal 5,19-21). Hierbei zieht Bucer Analogien mit der Erlaubms der Ehe-
scheidung, die ebenfalls eine unvollkommene Handlungsweise sei, welche jedoch
schlimmere Schäden verhüten und somit zu emem frommen und gottsehgen Leben
entscheidend beitragen könne [25-29]. Gott habe den Menschen unter Berücksich-
tigung ihrer Schwäche und lhrer Unvollkommenheit solche eheethischen Zu-
geständnisse gemacht. Deshalb dürften auch heute schwache Menschen hiervon
Gebrauch machen, auch wenn man die große Mehrheit weiterhin zur unbedingten
Beibehaltung der vollkommeneren Lebensform der monogamen Ehe anmahnen
sollte [30-3 5].
Zu den vier im ersten Teil genannten Argumenten gegen die Bigamie mmmt Bucer
sodann ausdrücklich Stellung:
1. Zur ursprünglichen Bestimmung der Ehe durch Gott gehöre mcht nur lhr mo-
nogamer Charakter, sondern auch, daß sie recht eingehalten werde. Die Doppelehe
dürfe durchaus erlaubt werden, wenn durch sie Hurerei, Ehebruch und andere sitt-
lichen Mißstände, die heute überhand nähmen, vermieden werden könnten, denn
diese Übel - und nicht eine Doppelehe an sich - tun dem götthchen Zweck der Ehe
Abbruch [36-41].
2. In der Tat sei es in einer bigamen Ehe schwierig, beide Gemahhnnen lmmer
gleich zu lieben; deshalb sei der unvollkommene Charakter einer Doppelehe gar
nicht zu leugnen. Aber auch als unvollkommene Lebensweise habe sie, da sie letzt-
lich eine eheliche Lebensweise sei, Anteil am Segen Gottes, ganz 1m Gegenteil zur
sexuellen Unmoral und zum Ehebruch, die den Verlust der Gnade Gottes zwingend
mit sich bringen [41-47].