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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]; Buckwalter, Stephen E. [Bearb.]; Schulz, Hans [Bearb.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 10): Schriften zu Ehe und Eherecht — Gütersloh, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.30230#0558
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\J. WIDERSTREITENDE EHEVERSPRECHEN

chen an die Bedingung geknüpft, daß das frühere Verlöbnis zwischen der Hebamme
u nd dem Scherer Niklaus ungültig sei, was sich inzwischen als Tatsache herausgestellt
habe. DerEinwand des Töpfers, erhabenicht gewußt, wie esum die Hebamme wirk-
lich stand, läßt Bucer nicht gelten: Wäre der T öpfer nur willens gewesen, hätte er beim
zuständigen Ehegericht nachfragen oder sich von sachkundigen Menschen Rat holen
können [129*]. Dariiber hinaus habe er mit der vorschnellen Emwilhgung zum Bei-
schlaf auch seinerseits schweres Unrecht begangen. Daß die schmachvolle Bestrafung
der Frau auch seinen Ruf schädige, habe er selbst zu verantworten, denn schließlich
habe er mit der Frau jene Handlungen begangen, für die sie auf so beschämende Weise
bestraft worden sei [129^].
Bucer geht sodann zur Verkündung des von lhm empfohlenen Urteils über, wieder-
holt hierbei einige Auskünfte und legt zugleich wichtige, zusätzliche Hintergrundin-
formationen zum Fall dar. Die Hebamme habe eme Eheschheßung mit dem Töpfer 1m
Beisein dessen Vaters mündlich beschlossen, ohne vorher eme ordnungsgemäße
Scheidung von ihrem ersten, von ihr weggelaufenen Mann zu beantragen [1301"].
Daiäiber hinaus habe sie, ohne den Kirchgang abzuwarten, geschlechtlichen Um-
gang mit dem Töpfer gepflegt. Weil sie de facto zwei Ehemänner gehabt habe, habe
der Rat sie mit den verhängten Strafen angemessen zur Rechenschaft gezogen. Die
Hebamme habe dennoch das Recht auf einen Ehemann, und das lhr vom Töpfer ge-
machte Eheversprechen - zumal es m Anwesenheit seines Vaters geschah - erfülle
alle Bedingungen eines gültigen Verlöbnisses. Der darauffolgende Beischlaf ver-
pflichte den Töpfer umso mehr, das gemachte Eheversprechen emzuhalten. Vom
Aarauer Ehegericht übersandte Unterlagen haben die Ungültigkeit der vorangegan-
genen, vermeintlichen Eheschließung mit dem Scherer bestätigt. Somit sei an der
Rechtsgültigkeit des vom Töpfer gemachten Eheversprechens mcht zu rütteln.
Kaum ein Gutachten Bucers bietet weniger Anhaltspunkte für seine historische
Einordnung als dieses. Es setzt das Bestehen von Ehegerichten in Bern (29. Mai
1528), Straßburg (16. Dezember 1529) und Aarau (spätestens 1535)1 voraus. Unter
Berücksichtigung dieser Daten und der archivalischen Überlieferung des Gutach-
tens - auf dieses folgt unmittelbar2 ein weiteres von Konrad Hubert wolil zur selben
Zeit abgeschriebenes Gutachten3, das spätestens ins Jahr 1541 datiert werden muß -
ist eine Abfassungszeit zwischen 1535 und 1541 zu vermuten.
Der Edition liegt zugrunde: Straßburg StArch, AST 167 (Vana ecclesiastica II),
fol. 128^-130^. Abschrift eines eigenhändigen Manusknpts Bucers4 durch Konrad
Hubert.

1. Köhler, Zürcher Ehegencht I, S. 3 52 erwähnt einen Bnef von »gmein versamleti nchter des ee-
gnchtz zu Arouw« an die »erenvesten, fürsichtigen und wysen nchter und rechtsprecheren deß
chorgrichtz zu Bern« vom 28. Jum 1535. Die Akten des Aarauer Ehegenchtes sind mcht erhaltcn.
2. Dieses Gutachten endet auf fol. 1301 von AST 167, das folgende begmnt auf fol. I30v.
3. Vgl. unten Nr. 18, S. 564-568.
4. Vgl. unten S. 560,17.
 
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