EINLEITUNG
res gleichzeitigen Ranges als weltliche Fürsten in der Reformation in erster Linie
eine fundamentale Gefährdung ihrer politischen und kirchlichen Existenz sahen, al-
len möglichen Sympathien für evangelische theologische Inhalte zum Trotz. Ver-
ständnisvoll bietet er ihnen den gesichtswahrenden Ausweg einer Ubertragung ihrer
bischöflichen Würde an einen wahrhaften Seelsorger - denn darin sieht Bucer die
primäre Aufgabe eines Bischofs - und die Beibehaltung ihres standesgemäßen Le-
bens als nunmehr weltliche Verwalter eines weiterhin geistlichen Territoriums.
Diese schon früh angelegte Vision (Nr. 3 und 5) gelangt zur vollen Entfaltung in sei-
ner grundlegenden Abhandlung >Von Kirchengütern< (Nr. 9).
Bucers Auffassung von den Kirchengütern ist von seiner Vorstellung einer umfas-
senden Erneuerung der Gesellschaft nach der Maßgabe des Wortes Gottes nicht zu
trennen. So sind die in diesem Band gesammelten Stellungnahmen weit davon ent-
fernt, thematisch enggefaßte Abhandlungen über finanzielle und administrative
Fragen zu sein, sondern stellen im weitesten Sinne theologische Schriften dar, in de-
nen vor allem die Ekklesiologie, aber auch die Ethik und Fragen des Verhältnisses
zwischen Kirche und Obrigkeit zu ihrem Recht kommen. Der prominente Platz,
den gerade norddeutsche Städte unter den Auftraggebern dieser Gutachten einneh-
men (Nr. 4 und 10), zwingt uns, das Bild des Straßburger Reformators als eines
hauptsächlich im südwestdeutschen Raum gesuchten Ratgebers zu revidieren. Die
Souveränität, mit der seine Aussagen mit Beispielen aus den kirchlichen und politi-
schen Verhältnissen in Frankreich, Italien, Spanien, Dänemark, England zu belegen
vermag, erinnert daran, daß er wie kaum ein Reformator »ganz Europa« (S. 402,14)
im Blickfeld hatte.
Die enorme Bedeutung, die Bucer der Bildung als zentralem Verwendungszweck des
Kirchenguts in diesen Gutachten beimißt - die an einer Stelle explizit ausgedrückte
Forderung, daß man »aus allen Getauften wahre Kinder Gottes erziehe« (S. 259,17),
könnte als implizite Maxime aller dieser Schriften gelten -, bildet eine Brücke zum
entstehungsgeschichtlich und thematisch völlig anderen Quellencorpus dieses Ban-
des, dem Basler Universitätsstreit (Nr. 11-13). Bucers Stellungnahmen zu diesem
räumlich und zeitlich sehr begrenzten innerevangelischen Streit zeugen ebenso von
Vermittlungsgeschick und Sensibilität wie seine gesamten Interventionen im
Abendmahlsstreit und seine späteren Äußerungen in den Religionsgesprächen. Der
Konflikt zwischen Universität und Pfarrerschaft der Stadt Basel entzieht sich einfa-
chen Erklärungen. Er mag in gewisser Hinsicht als logische Konsequenz eines inne-
ren Widerspruchs der reformatorischen Bewegung verstanden werden. Beide einan-
der bekämpfenden Lager konnten sich zu Recht als Hüter von zentralen Anliegen
der Reformation betrachten. Die Weigerung von Stadtrat und Universität, dem
neuen evangelischen Klerus eine zu große Rolle im bürgerlichen Leben der Stadt
einzuräumen, war für einige nichts anderes als das natürliche Ergebnis der Bestre-
bung der evangelischen Bürgerschaft, sich von altgläubiger, klerikaler Bevormun-
dung zu befreien. Für andere dagegen galt es, dem von der Reformation neu ans
Licht gebrachten Wort Gottes zu der ihm zustehenden Autorität zu verhelfen, allen
menschlichen Widerständen zum Trotz. Es macht die Eigenart der Stellung Bucers
res gleichzeitigen Ranges als weltliche Fürsten in der Reformation in erster Linie
eine fundamentale Gefährdung ihrer politischen und kirchlichen Existenz sahen, al-
len möglichen Sympathien für evangelische theologische Inhalte zum Trotz. Ver-
ständnisvoll bietet er ihnen den gesichtswahrenden Ausweg einer Ubertragung ihrer
bischöflichen Würde an einen wahrhaften Seelsorger - denn darin sieht Bucer die
primäre Aufgabe eines Bischofs - und die Beibehaltung ihres standesgemäßen Le-
bens als nunmehr weltliche Verwalter eines weiterhin geistlichen Territoriums.
Diese schon früh angelegte Vision (Nr. 3 und 5) gelangt zur vollen Entfaltung in sei-
ner grundlegenden Abhandlung >Von Kirchengütern< (Nr. 9).
Bucers Auffassung von den Kirchengütern ist von seiner Vorstellung einer umfas-
senden Erneuerung der Gesellschaft nach der Maßgabe des Wortes Gottes nicht zu
trennen. So sind die in diesem Band gesammelten Stellungnahmen weit davon ent-
fernt, thematisch enggefaßte Abhandlungen über finanzielle und administrative
Fragen zu sein, sondern stellen im weitesten Sinne theologische Schriften dar, in de-
nen vor allem die Ekklesiologie, aber auch die Ethik und Fragen des Verhältnisses
zwischen Kirche und Obrigkeit zu ihrem Recht kommen. Der prominente Platz,
den gerade norddeutsche Städte unter den Auftraggebern dieser Gutachten einneh-
men (Nr. 4 und 10), zwingt uns, das Bild des Straßburger Reformators als eines
hauptsächlich im südwestdeutschen Raum gesuchten Ratgebers zu revidieren. Die
Souveränität, mit der seine Aussagen mit Beispielen aus den kirchlichen und politi-
schen Verhältnissen in Frankreich, Italien, Spanien, Dänemark, England zu belegen
vermag, erinnert daran, daß er wie kaum ein Reformator »ganz Europa« (S. 402,14)
im Blickfeld hatte.
Die enorme Bedeutung, die Bucer der Bildung als zentralem Verwendungszweck des
Kirchenguts in diesen Gutachten beimißt - die an einer Stelle explizit ausgedrückte
Forderung, daß man »aus allen Getauften wahre Kinder Gottes erziehe« (S. 259,17),
könnte als implizite Maxime aller dieser Schriften gelten -, bildet eine Brücke zum
entstehungsgeschichtlich und thematisch völlig anderen Quellencorpus dieses Ban-
des, dem Basler Universitätsstreit (Nr. 11-13). Bucers Stellungnahmen zu diesem
räumlich und zeitlich sehr begrenzten innerevangelischen Streit zeugen ebenso von
Vermittlungsgeschick und Sensibilität wie seine gesamten Interventionen im
Abendmahlsstreit und seine späteren Äußerungen in den Religionsgesprächen. Der
Konflikt zwischen Universität und Pfarrerschaft der Stadt Basel entzieht sich einfa-
chen Erklärungen. Er mag in gewisser Hinsicht als logische Konsequenz eines inne-
ren Widerspruchs der reformatorischen Bewegung verstanden werden. Beide einan-
der bekämpfenden Lager konnten sich zu Recht als Hüter von zentralen Anliegen
der Reformation betrachten. Die Weigerung von Stadtrat und Universität, dem
neuen evangelischen Klerus eine zu große Rolle im bürgerlichen Leben der Stadt
einzuräumen, war für einige nichts anderes als das natürliche Ergebnis der Bestre-
bung der evangelischen Bürgerschaft, sich von altgläubiger, klerikaler Bevormun-
dung zu befreien. Für andere dagegen galt es, dem von der Reformation neu ans
Licht gebrachten Wort Gottes zu der ihm zustehenden Autorität zu verhelfen, allen
menschlichen Widerständen zum Trotz. Es macht die Eigenart der Stellung Bucers