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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]; Buckwalter, Stephen E. [Bearb.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 14): Schriften zu Täufertum und Spiritualismus 1531 - 1546 — Gütersloh, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30651#0430
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Nr. 9
Gutachten der Straßburger Prediger für Philipp von Hessen
Ratschlag der Wiedertäufer halber

zwischen 22.Juni und 5. August 1536

Einleitung
1. Entstehung und Inhalt

Am 18. Mai 1536 berichtete der Statthalter an der Lahn, Jörg Kolmatsch, seinem
Dienstherrn, dem Landgrafen Philipp von Hessen, daß eine Gruppe von etwa dreißig
Täufern kurz zuvor bei einer nächtlichen Versammlung in einer verlassenen Kirche
in der Nähe von Gemünden an der Wohra verhaftet worden sei. ¹ Dieses Ereignis
mag der Auslöser dafür gewesen sein, daß Landgraf Philipp seinen schon lange
gehegten Wunsch, die hessische Täuferordnung vom Sommer 1531 ² durch ein umfangreicheres
und präziseres Werk zu ersetzen, unmittelbar danach zügig in die Tat
umsetzte. ³ Zu diesem Zweck richtete er bereits am 23.Mai 1536 ⁴ Briefe an Herzog
Ernst von Lüneburg sowie an die Reichsstädte Straßburg und Augsburg, in welchen
er sie bat, Gutachten über den angemessenen obrigkeitlichen Umgang mit Täufern
von ihren jeweiligen Theologen erstellen zu lassen. In der Anfrage klingen Philipps
Zweifel über die Legitimität der Todesstrafe in Glaubensangelegenheiten deutlich
durch. ⁵ Gleichlautende Schreiben ergingen kurz darauf an die theologischen Fa-

1. Gemünden an der Wohra liegt etwa 30 km nordöstlich von Marburg. Der Bericht Kolmatschs
ist in Franz, TA Hessen, Nr. 44, S. 90f. ediert. Zu dieser Festnahme vgl. Lenz I, S. 318; Wappler, Die
Stellung Kursachsens, S. 57f.; Deppermann,Melchior Hoffman, S.325; Packull,Melchiorites, S. 12;
Mayes, State Policies, S. 1007 f. Unter den verhafteten Täufern befanden sich auch diejenigen, mit
denen Bucer über zwei Jahre später auf Einladung Philipps eine wirkungsmächtige Disputation in
Marburg halten sollte (vgl. unten Nr.10, S.457–499).

2. Hierbei handelt es sich um den Abschnitt 7 der ›Kirchendienerordnung‹; Edition in: Sehling,
EKO VIII/1, S.73f.; Franz, TAHessen, Nr.15, S.37f.

3. Allgemein zur Politik Philipps von Hessen gegenüber den Täufern in seiner Landgrafschaft
vgl. Hochhuth, Mittheilungen; Wappler, Die Stellung Kursachsens; Breul, Anfänge; Schneider-Ludorff,
Der fürstliche Reformator, S.131–146; Packull, Melchiorites; Rothkegel, Täuferbewegungen
in Hessen.

4. Die landgräflichen Räte hatten ihrerseits schon am 20. Mai 1536 in einem ›Bedenken der widerteufer
halber‹ zum schärferen Umgang mit Täufern aufgerufen (Franz, TA Hessen, Nr. 47A,
S. 98 f.; Hillerbrand, Vorgeschichte, S. 334).

5. »Nun achten wir uns darfür, das wir nit recht daran theten, wan wir imand des glaubens halb
todteten, als das wirn wolten dringen, das er disses oder jenes glaubens solte sein; nochdem aber die
widertäufer ihres furhabens ein bose exempel zu Munster gegeben, derohalben sie, ire handlungen
und practicen verdacht seind etc., und wir doch aus gutherzigem bedenken nit gern vor uns selbst
und on anderer christlichen stende rat und bedenken groses beschwerlichs, als das leib oder leben
betrefe, gegen den widertaufern wolten furnemen, es were dan, das uns ire böshait, buberei und
böße stuck aigentlich kunt werden, so begeren wir an euch gnediglichen, ir wollet ewern gelarten
 
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