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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]; Buckwalter, Stephen E. [Bearb.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 14): Schriften zu Täufertum und Spiritualismus 1531 - 1546 — Gütersloh, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30651#0431
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9. ratschlagder wiedertäufer halber

427

kultäten der Universitäten Marburg, Wittenberg und Tübingen sowie an die Reichsstadt
Ulm. ¹

Diese Bitte Philipps bildet den Anlaß für die Entstehung der im folgenden edierten
Schrift, die Bucer nach dem 22.Juni ² und vor dem 5. August 1536 ³ im Namen
der Straßburger Prediger verfaßte. Bei aller Unnachgiebigkeit des Straßburger Reformators
gegenüber der täuferischen Lehre, die er für gänzlich unchristlich hält,
fällt der hohe Stellenwert auf, den er der geduldigen, mit Bedacht geführten inhaltlichen
Auseinandersetzung mit einzelnen Täufern zumißt. Einzigartig unter den eingereichten
Gutachten ⁴ ist Bucers innovatives Plädoyer für gemeinnützige Zwangsarbeit
⁵ anstelle der ansonsten üblichen Verweisung außer Landes. ⁶

Der Ratschlag kann folgendermaßen gegliedert werden:

I. Einleitung [1/60 ʳ ]
A. Kurze Rekapitulation der Anfrage Philipps von Hessen
B. Hinweis auf den prinzipiell allgemeinen Charakter dieses Gutachtens, dessen
spezifische Implikationen von Fall zu Fall sorgfältig zu erarbeiten sind
II. Differenzierung zwischen unterschiedlichen Täufern [1/60 ʳ –2/60 ᵛ ]

A. Die bestehende weltliche Rechtsprechung bietet eine ausreichende Handhabe,
um mit Täufern fertig zu werden, die politischen Umsturz und sonstiges
offenkundiges Unrecht im Sinn haben [1/60 ʳ ].

B. Schwieriger dagegen ist es, den angemessenen obrigkeitlichen Umgang mit
Täufern zu finden, die einen tadellosen Lebenswandel aufweisen. Freilich

predicanten solchs furhalten, mit inen darvon reden und ratschlagen und uns darin also ewern rat
und gutbedunken und wie irs gegen denselben haltend mit leibstraf und andern zu erkennen geben«
(Pol. Cor. II, Nr. 377, S. 369; Franz, TA Hessen, Nr. 47B, S. 99; QGT 15 [Elsaß III], Nr. 715, S. 26;
vgl. auch Hillerbrand, Vorgeschichte, S. 336; Schneider-Ludorff, Der fürstliche Reformator, S.139).

1. Franz, TAHessen, Nr.47C, S.99; Hillerbrand, Vorgeschichte, S. 334f.; Packull, Melchiorites,
S. 12; Schneider-Ludorff, Der fürstliche Reformator, S.139.

2. An diesem Tag kehrten die Straßburger Prediger von dem Besuch in Wittenberg zurück, der
zur ›Wittenberger Konkordie‹ (BDS 6,1, S.114–134) geführt hatte.

3. Datum des Begleitschreibens des Straßburger Rats an Philipp von Hessen (Franz,TA Hessen,
Nr.47L, S.123 f.; QGT 15 [Elsaß III], Nr.730, S.38 f.).

4. Diese sind in Franz, TA Hessen, S. 101–129, in ihrer Gesamtheit ediert. Eine gründliche Inhaltsbeschreibung
der einzelnen Gutachten bieten Hillerbrand, Vorgeschichte, S. 337–344 und
Schneider-Ludorff, Der fürstliche Reformator, S.140–142. Vgl. auch Wappler, Die Stellung Kursachsens,
S.59–63.

5. Bucers Vorstoß wird freilich von Philipps Räten als rechtshistorisch nicht stichhaltig rundweg
abgelehnt, wie die Randbemerkung in der Marburger Überlieferung zeigt (vgl. unten S. 444, textkritische
Anm. qsowie die Abbildung auf S.436).

6. Tatsächlich entschieden sich die Obrigkeiten oft für diesen letzten Weg, da die schwerwiegenden
Implikationen einer Hinrichtung doch sehr deutlich empfunden wurden und die ungelösten
ethischen Fragen, die diese aufwarf, die Magistrate von einer solchen Maßnahme – aller reichsrechtlichen
Berechtigung zum Trotz – abschreckte. Wie Hans Hillerbrand in bezug auf die eingereichten
Gutachten resümiert: »Allgemein überwiegt der Vorschlag des Landesverweises« (Hillerbrand,
Vorgeschichte, S.346). Ebenfalls gilt, »daß evangelische Obrigkeiten nach 1540 die Todesstrafe gegen
Täufer kaum noch in Anwendung brachten« (ibid., S. 331). Zur Hinrichtung von Täufern vgl.
den nützlichen Überblick in: Bericht der lutherisch-mennonitischen Studienkommission, S.28f.
 
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