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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 17): Die letzten Strassburger Jahre: 1546 - 1549 — Gütersloh, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.30258#0352
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DIE LETZTEN STRASSBURGER JAHRE 1546-1549

Auseinandersetzungen führte (Dok. 11). Doch nicht einmal jetzt fand der Rat zu einem
einmütigen Urteil. So half er sich schließlich damit, daß man am 4. Juli beide Schrift-
stücke nach Augsburg schickte. Mochte dort Jakob Sturm entscheiden, was ihm davon
brauchbar erschiene. Aber der Kurier traf die Ratsgesandten in Augsburg nicht mehr an.
Nachdem am 30. Mai das Interim als Reichsgesetz verkündet und der Reichstag ge-
schlossen worden war, hatten sie die Heimreise angetreten.
Kurze Zeit darauf forderte der Bischof, der in Zabern residierte, Verhandlungen über
die Einführung des Interims in Straßburg. Dem Rat gelang es, durch hinhaltende Politik
den Verhandlungsbeginn mehrere Monate lang hinauszuschieben. In dieser Zeit faßte
Bucer in einem lateinischen Dialog noch einmal seine Einwände gegen das Interim
zusammen (Dok. 12). Seine Schrift war nicht nur für die Prediger, sondern auch für den
weiteren Kreis der Gebildeten in Rat und Bürgerschaft bestimmt. Als der Bischof seinen
Forderungen mit Drohungen Nachdruck verlieh, sah der Rat keinen anderen Weg
mehr, als die Verhandlungen mit den bischöflichen Räten aufzunehmen. Dies wurde am
29. September im Rat beschlossen. Daraufhin erhob Bucer als Superintendent des Kir-
chenkonvents am 3. November noch einmal scharfen Protest. Zugleich forderte er einen
großen Buß- und Bettag für alle Kirchen der Stadt (Dok. 13). Aber die Dinge nahmen
jetzt unaufhaltsam ihren Lauf. Die Verhandlungen begannen.
In dieser notvollen Stunde, zur Jahreswende 1548/49, trat der Kirchenpolitiker Bucer
hinter dem Seelsorger zurück, und dieser Umstand ist für seine innere Haltung bezeich-
nend. Er schrieb an die Pfarrer und Helfer seiner Kirchen einen bewegenden Aufruf zu
Treue und bekenntnismäßiger Verkündigung des lauteren Evangeliums (Dok. 14).
Diese Mahnung, gerade in einer Zeit der Gefahr für Leib und Leben ihrer Verantwor-
tung als treue Diener Christi nachzukommen, verschärfte freilich auch die Polemik, die
die Prediger von den Kanzeln gegen das Interim und das Vorgehen des Rates führten.
Wiederholt beschwor der Rat die Pfarrer, seine Verhandlungen mit den Räten des
Bischofs nicht durch ihre Predigten zu erschweren. Jakob Sturm schrieb deshalb Ende
Januar direkt an Bucer und bat ihn, auf die Prediger mäßigend einzuwirken. Doch
dieser gab im Einvernehmen mit dem Predigerkonvent am 2. Februar eine deutliche und
entschiedene Antwort: man könne aus Gewissensgründen nicht anders handeln (Dok.
15)-
Die Geduld des Bischofs war jedoch inzwischen erschöpft. Er bat den Kaiser in einem
Schreiben vom 11. Februar 1549, die Einführung des Interims in Straßburg mit Gewalt
durchzusetzen. Der Rat erhielt davon Kenntnis. Nun drohte der Stadt die gleiche Ge-
fahr wie Monate zuvor Konstanz: Besetzung durch kaiserliche Truppen und Verlust
aller städtischen Freiheiten. Ehe der Kaiser eingriff, mußte der Rat handeln, selbst die
Initiative zu einem Kompromiß ergreifen. Auf Bitten einiger Ratsherren entwarf Bucer
noch am gleichen Tage einen >Rhatschlag, wie doch ettwas christlichs diensts bey diser
kirchen alhie möge erhalten werden< (eingearbeitet in Dok. 16). Um diesen Entwurf
wurde im Predigerkreise hart gerungen, bis man sich schließlich auf eine >Fernere Erclä-
rung in puncto deß Interims< einigen konnte, die man dem Rat zuleitete (Dok. 16).
Bucers >Rhatschlag< war um einige Punkte erweitert, das Ganze jedoch wesentlich
verkürzt worden. In dieser Form bedeutete die >Fernere Erclärung< für den Rat eine
größere Hilfe als der >Rhatschlag<.
 
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