AUGSBURGER INTERIM
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beschäftigten sich mit dem Interim. Der erste war an den Wittenberger Professor und
Parteigänger Melanchthons, Caspar Cruciger (Dok. 4J, der zweite an den Straßburger
Ratsherrn Ludwig Gremp (Dok. 5) gerichtet. Wenn auch Aspekt und Blickpunkt beider
Briefe verschieden waren, so hatten sie doch eines gemeinsam: Die Kritik Bucers am
Interim war gewachsen. Offenbar hatten auch Ereignisse am Rande des Reichstags, etwa
das Verhalten des Landgrafen von Hessen, deren Zeuge Bucer geworden war, sein
Mißtrauen geweckt.
Dann aber fiel eine erste Entscheidung: Am 10. April riefen die Kurfürsten Bucer zu
sich und ließen ihm durch den brandenburgischen Kanzler von Schlieben eröffnen, er
habe nun seine schriftliche Zustimmung zum Interim zu geben. Dies war offenbar die
Forderung des Kaisers gewesen. Bucer aber lehnte entschieden ab. Noch am gleichen
Tage schrieb er ein drittes Mal an die Kurfürsten und begründete seine Weigerung
sowohl theologisch als auch gewissensmäßig (Dok. 6). Daraufhin wurde er in der Her-
berge des Brandenburgers unter Hausarrest gestellt.
Bucer nutzte die folgenden Tage zu einem langen Brief an den Bischof von Naum-
burg, Julius Pflug, der Mitglied des Interimsausschusses des Reichstags war und als
Autor der »Märzformel« galt (Dok. 7). In diesem Schreiben vom 13. April findet sich
eine ins Grundsätzliche gehende Darlegung der Gründe, die das Interim für Bucer als
unannehmbar erscheinen ließen. Insbesondere wollte er sich des Verdachts erwehren,
dem Werk der Wiedervereinigung der Kirchen entgegenarbeiten zu wollen. Vier Tage
darauf wurde er in strenge kaiserliche Haft genommen. Ursachen und Gründe hierfür
lassen sich nur vermuten. Die Gefangenschaft endete damit, daß der Gefangene am 20.
April seine Unterschrift unter das Interim setzte - »in angustiis«, wie er später schrieb -,
daraufhin in Freiheit gesetzt wurde und ohne jeden Abschied die Heimreise antrat.
In Straßburg war sich der Rat in der Beurteilung der Lage einig. Trotz aller grund-
sätzlichen Ablehnung des Interims fehlten eben die Machtmittel, sie durchzusetzen.
Zuerst aber mußten nach Bucers Rückkehr die Pfarrer gehört werden. Ihre Predigten
gegen das Interim lösten in den Gemeinden wachsende Unruhe aus. Auf Bitten der
Straßburger Reichstagsgesandten und des Rates arbeitete Bucer bis zum 28. Mai das
erste offizielle Gutachten der Straßburger Prediger aus, dessen Titel bereits unmißver-
ständlich ausdrückte, daß man in Augsburg mit den Protestanten nicht verhandelt,
sondern das Interim wie ein Diktat »den Christlichen Stenden Augspurgischer Confes-
sion ... vorgegeben vnd vfferlegt« habe (Dok. 8). Der Rat sandte die Schrift am 3. Juni in
unveränderter Form nach Augsburg. Bucer aber schrieb am gleichen Tage einen ernsten
Brief an den Kurfürsten von Brandenburg, in dem er sich bitter darüber beklagte, daß er
und der Kurfürst von der Pfalz ihn in Augsburg schmählich im Stich gelassen hätten
(Dok. 9).
Die Reichstagsgesandten der Stadt betrachteten das große Prediger-Gutachten seiner
Schärfe und Breite wegen als für ihre Verhandlungen ungeeignet. Sie baten deshalb um
eine neue, verbindlichere Stellungnahme des Rates. So arbeitete Bucer eine zweite
Schrift aus, der die Prediger zustimmten und die er dann dem Rat übergab (Dok. 10).
Die Meinung der Ratsherren über diese Schrift war nicht einhellig. Einigen erschien
auch dieses zweite Schreiben zu umständlich und zu breit. Also verfaßte Bucer eine
Kurzfassung, die >Supplication an den Rat<, die aber nun im Predigerkreise zu harten
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beschäftigten sich mit dem Interim. Der erste war an den Wittenberger Professor und
Parteigänger Melanchthons, Caspar Cruciger (Dok. 4J, der zweite an den Straßburger
Ratsherrn Ludwig Gremp (Dok. 5) gerichtet. Wenn auch Aspekt und Blickpunkt beider
Briefe verschieden waren, so hatten sie doch eines gemeinsam: Die Kritik Bucers am
Interim war gewachsen. Offenbar hatten auch Ereignisse am Rande des Reichstags, etwa
das Verhalten des Landgrafen von Hessen, deren Zeuge Bucer geworden war, sein
Mißtrauen geweckt.
Dann aber fiel eine erste Entscheidung: Am 10. April riefen die Kurfürsten Bucer zu
sich und ließen ihm durch den brandenburgischen Kanzler von Schlieben eröffnen, er
habe nun seine schriftliche Zustimmung zum Interim zu geben. Dies war offenbar die
Forderung des Kaisers gewesen. Bucer aber lehnte entschieden ab. Noch am gleichen
Tage schrieb er ein drittes Mal an die Kurfürsten und begründete seine Weigerung
sowohl theologisch als auch gewissensmäßig (Dok. 6). Daraufhin wurde er in der Her-
berge des Brandenburgers unter Hausarrest gestellt.
Bucer nutzte die folgenden Tage zu einem langen Brief an den Bischof von Naum-
burg, Julius Pflug, der Mitglied des Interimsausschusses des Reichstags war und als
Autor der »Märzformel« galt (Dok. 7). In diesem Schreiben vom 13. April findet sich
eine ins Grundsätzliche gehende Darlegung der Gründe, die das Interim für Bucer als
unannehmbar erscheinen ließen. Insbesondere wollte er sich des Verdachts erwehren,
dem Werk der Wiedervereinigung der Kirchen entgegenarbeiten zu wollen. Vier Tage
darauf wurde er in strenge kaiserliche Haft genommen. Ursachen und Gründe hierfür
lassen sich nur vermuten. Die Gefangenschaft endete damit, daß der Gefangene am 20.
April seine Unterschrift unter das Interim setzte - »in angustiis«, wie er später schrieb -,
daraufhin in Freiheit gesetzt wurde und ohne jeden Abschied die Heimreise antrat.
In Straßburg war sich der Rat in der Beurteilung der Lage einig. Trotz aller grund-
sätzlichen Ablehnung des Interims fehlten eben die Machtmittel, sie durchzusetzen.
Zuerst aber mußten nach Bucers Rückkehr die Pfarrer gehört werden. Ihre Predigten
gegen das Interim lösten in den Gemeinden wachsende Unruhe aus. Auf Bitten der
Straßburger Reichstagsgesandten und des Rates arbeitete Bucer bis zum 28. Mai das
erste offizielle Gutachten der Straßburger Prediger aus, dessen Titel bereits unmißver-
ständlich ausdrückte, daß man in Augsburg mit den Protestanten nicht verhandelt,
sondern das Interim wie ein Diktat »den Christlichen Stenden Augspurgischer Confes-
sion ... vorgegeben vnd vfferlegt« habe (Dok. 8). Der Rat sandte die Schrift am 3. Juni in
unveränderter Form nach Augsburg. Bucer aber schrieb am gleichen Tage einen ernsten
Brief an den Kurfürsten von Brandenburg, in dem er sich bitter darüber beklagte, daß er
und der Kurfürst von der Pfalz ihn in Augsburg schmählich im Stich gelassen hätten
(Dok. 9).
Die Reichstagsgesandten der Stadt betrachteten das große Prediger-Gutachten seiner
Schärfe und Breite wegen als für ihre Verhandlungen ungeeignet. Sie baten deshalb um
eine neue, verbindlichere Stellungnahme des Rates. So arbeitete Bucer eine zweite
Schrift aus, der die Prediger zustimmten und die er dann dem Rat übergab (Dok. 10).
Die Meinung der Ratsherren über diese Schrift war nicht einhellig. Einigen erschien
auch dieses zweite Schreiben zu umständlich und zu breit. Also verfaßte Bucer eine
Kurzfassung, die >Supplication an den Rat<, die aber nun im Predigerkreise zu harten