i6. RHATSCHLAG/FERNERE ERCLÄRUNG
593
Dokument 16
Rhatschlag/Deß Kirchen Conuents fernere Erclärung
(11./2.2. Februar 1549)
Auf die Schrift der Prediger an den Rat vom 2. Februar 1549 (»Responsio ad Senatum< -
AST 84, Nr. 60) waren am 6. Februar drei Abgesandte des Rats - Peter Sturm, Simon
Franck und Jakob von Duntzenheim - im Predigerkonvent erschienen, hatten den
Predigern die politische Zwangslage des Rates in bezug auf die Einführung des Interims
in der Stadt vor Augen gestellt und sie dringend ersucht, die Situation nicht durch
Predigten gegen das Interim zu erschweren. Der Rat hatte die Wahl zwischen einer
Katastrophe, wie sie Konstanz erlitten hatte, oder dem zähen Verhandeln um einen
Kompromiß, der bestenfalls zu schweigender Duldung des Interims in einigen Kirchen
der Stadt führen mußte. Die Prediger hatten um schriftliche Darlegung gebeten, die
wohl bald darauf auch erfolgt ist. Wir besitzen diese Aufzeichnung leider nicht mehr.
Die Ereignisse spitzten sich in dramatischer Weise zu: Am 8. Februar schrieb der
Bischof an den Rat, er werde sich nun nicht länger hinhalten lassen, sondern den Kaiser
um Hilfe bitten, damit das Interim nun endlich auch in Straßburg eingeführt werde. Der
Rat entsandte daraufhin seinen Syndikus Dr. Heinrich Kopp an den Hof Karls V. in
Brüssel. Am 11. Februar ging der Brief des Bischofs an den Kaiser ab. Würde dieser
eingreifen, wie es Monate zuvor gegen Konstanz geschehen war, blieb für die Stadt
wenig Hoffnung auf Erhaltung ihrer Freiheiten und des evangelischen Gottesdienstes.
An diesem 11. Februar 1549 verfaßte Bucer den Entwurf eines >Ratschlages, wie doch
etwas von christlichem Dienst in der Stadt möge erhalten werden< (im folgenden: R).
Der Predigerkonvent sollte sich diese Schrift als seine Stellungnahme zu eigen machen.
Um dieses Konzept muß im Predigerkreise hart gerungen worden sein. Das Ergebnis
aller Gespräche war schließlich eine veränderte Schrift an die Ratsverordneten, die als
>Des Kirchenkonvents fernere Erclärung zum Interim« (im folgenden: FE) registriert
ist. Sie erweiterte die Artikel zu den anstehenden Fragen und nahm die Stücke heraus, in
denen Bucer noch einmal unter Verwendung von Kirchenväterzitaten die theologischen
Argumente gegen einzelne Artikel des Interims zusammengestellt hatte. Die dadurch
entstandene Erklärung des Predigerkonventes unterzog Bucer noch einmal einer hand-
schriftlichen Korrektur, die sich allerdings im wesentlichen auf Formalia erstreckte.
Dann wurde die Schrift am 22. Februar 1549 der Ratskommission übergeben.
Sie ist der letzte uns erhaltene Bedacht Bucers zum Interim. Es ist bemerkenswert,
daß Bucer im Ratschlag nicht nur seine alten Argumente gegen das Interim durch neue
Kirchenväter-Zitate gestützt, sondern auch Sätze aus dem Interim zitiert hat, denen man
seiner Meinung nach zustimmen könnte. In der Endfassung der >Ferneren Erclärung<
finden sich dann sogar Vorschläge, wie man einzelne Forderungen des Interims - beson-
ders aus Art. 26 »Von den Ceremonien« - umdeuten und abschwächen könnte, um sie
gewissensmäßig annehmbar zu machen. Im ganzen aber ist sowohl der Ratschlag als
auch die »Fernere Erclärung< ein bewegendes Dokument der Gewissensnot der Straß-
burger Prediger. Unterzeichnet haben die »Fernere Erclärung< nur Bucer, Nigri, Fagius
und Marbach. Diese Vier vertraten die am stärksten gefährdeten Gemeinden und Kir-
chen der Stadt: das Münster, Alt St. Peter, Jung St. Peter und St. Thomas. Mit einem
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Dokument 16
Rhatschlag/Deß Kirchen Conuents fernere Erclärung
(11./2.2. Februar 1549)
Auf die Schrift der Prediger an den Rat vom 2. Februar 1549 (»Responsio ad Senatum< -
AST 84, Nr. 60) waren am 6. Februar drei Abgesandte des Rats - Peter Sturm, Simon
Franck und Jakob von Duntzenheim - im Predigerkonvent erschienen, hatten den
Predigern die politische Zwangslage des Rates in bezug auf die Einführung des Interims
in der Stadt vor Augen gestellt und sie dringend ersucht, die Situation nicht durch
Predigten gegen das Interim zu erschweren. Der Rat hatte die Wahl zwischen einer
Katastrophe, wie sie Konstanz erlitten hatte, oder dem zähen Verhandeln um einen
Kompromiß, der bestenfalls zu schweigender Duldung des Interims in einigen Kirchen
der Stadt führen mußte. Die Prediger hatten um schriftliche Darlegung gebeten, die
wohl bald darauf auch erfolgt ist. Wir besitzen diese Aufzeichnung leider nicht mehr.
Die Ereignisse spitzten sich in dramatischer Weise zu: Am 8. Februar schrieb der
Bischof an den Rat, er werde sich nun nicht länger hinhalten lassen, sondern den Kaiser
um Hilfe bitten, damit das Interim nun endlich auch in Straßburg eingeführt werde. Der
Rat entsandte daraufhin seinen Syndikus Dr. Heinrich Kopp an den Hof Karls V. in
Brüssel. Am 11. Februar ging der Brief des Bischofs an den Kaiser ab. Würde dieser
eingreifen, wie es Monate zuvor gegen Konstanz geschehen war, blieb für die Stadt
wenig Hoffnung auf Erhaltung ihrer Freiheiten und des evangelischen Gottesdienstes.
An diesem 11. Februar 1549 verfaßte Bucer den Entwurf eines >Ratschlages, wie doch
etwas von christlichem Dienst in der Stadt möge erhalten werden< (im folgenden: R).
Der Predigerkonvent sollte sich diese Schrift als seine Stellungnahme zu eigen machen.
Um dieses Konzept muß im Predigerkreise hart gerungen worden sein. Das Ergebnis
aller Gespräche war schließlich eine veränderte Schrift an die Ratsverordneten, die als
>Des Kirchenkonvents fernere Erclärung zum Interim« (im folgenden: FE) registriert
ist. Sie erweiterte die Artikel zu den anstehenden Fragen und nahm die Stücke heraus, in
denen Bucer noch einmal unter Verwendung von Kirchenväterzitaten die theologischen
Argumente gegen einzelne Artikel des Interims zusammengestellt hatte. Die dadurch
entstandene Erklärung des Predigerkonventes unterzog Bucer noch einmal einer hand-
schriftlichen Korrektur, die sich allerdings im wesentlichen auf Formalia erstreckte.
Dann wurde die Schrift am 22. Februar 1549 der Ratskommission übergeben.
Sie ist der letzte uns erhaltene Bedacht Bucers zum Interim. Es ist bemerkenswert,
daß Bucer im Ratschlag nicht nur seine alten Argumente gegen das Interim durch neue
Kirchenväter-Zitate gestützt, sondern auch Sätze aus dem Interim zitiert hat, denen man
seiner Meinung nach zustimmen könnte. In der Endfassung der >Ferneren Erclärung<
finden sich dann sogar Vorschläge, wie man einzelne Forderungen des Interims - beson-
ders aus Art. 26 »Von den Ceremonien« - umdeuten und abschwächen könnte, um sie
gewissensmäßig annehmbar zu machen. Im ganzen aber ist sowohl der Ratschlag als
auch die »Fernere Erclärung< ein bewegendes Dokument der Gewissensnot der Straß-
burger Prediger. Unterzeichnet haben die »Fernere Erclärung< nur Bucer, Nigri, Fagius
und Marbach. Diese Vier vertraten die am stärksten gefährdeten Gemeinden und Kir-
chen der Stadt: das Münster, Alt St. Peter, Jung St. Peter und St. Thomas. Mit einem