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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 17): Die letzten Strassburger Jahre: 1546 - 1549 — Gütersloh, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.30258#0472
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468

DIE LETZTEN STRASSBURGER JAHRE 1546-1549

Dokument 9
Bucers Brief an den Kurfürsten von Brandenburg
(3- Juni 1548)
Die Straßburger Gesandten auf dem Reichstag zu Augsburg, Jakob Sturm und Hans
von Odratzheim, hatten am 20. Mai 1548 den Text des Interims mit einem Begleitschrei-
ben an den Rat ihrer Stadt gesandt1. Am folgenden Tage baten sie in einem zweiten
Schreiben die »Dreizehner«, den Ratsausschuß für die auswärtigen Angelegenheiten der
Stadt, der Rat möge durch Bucer ein theologisches Gutachten zum Interim erstellen
lassen2. Dem wurde entsprochen, und am 26. Mai erhielt Bucer den Text des Interims
mit der vorausgestellten Propositio des Kaisers.
Bereits im April ds. Js. war Bucer auf Bitten des Kurfürsten Joachim II. von Bran-
denburg drei Wochen in Augsburg gewesen und hatte sich dabei mündlich und schrift-
lich mit dem Interim auseinandergesetzt3. So konnte er jetzt in wenigen Tagen eine
Stellungnahme verfassen, die am 29. Mai dem Rat zugeleitet und am folgenden Tage in
der Ratssitzung verlesen wurde. Die Schrift trug den bezeichnenden Titel: Welcher
Massen das INTERIM den Christlichen Stenden Augspurgischer Confession ist vorgegeben
vnd vfferlegt<. Sie ging am 3. Juni 1548 nach Augsburg ab4.
Am gleichen Tag schrieb Bucer einen bewegenden Brief an den Kurfürsten, der ihn
im März nach Augsburg gerufen und ihm mit Hilfe des Kaisers die Unterschrift unter
das Interim abgerungen hatte5. Er war zutiefst darüber erschüttert, daß und in welchem
Umfang sich seine Sorge bestätigt hatte; im Gegensatz zu der ursprünglichen Absicht
des Kaisers war das Interim zu einem Ausnahmegesetz für die Protestanten geworden.
Das wurde vor allem durch den Text der Propositio klar, der erst nach Bucers Abschied
von Augsburg entstanden war. Außerdem war der ursprüngliche Interimstext, der
Bucer Anfang April in der deutschen Übersetzung der sogenannten Märzformel vorge-
legen hatte, an mehreren Stellen verschärfend verändert worden.
Bucer erinnerte in seinem Brief vom 3. Juni den Kurfürsten daran, daß er schon in
Augsburg daran gezweifelt habe, daß das Interim wirklich zu einer beide Parteien
bindenden Einigungsformel werden könnte. Das aber war für ihn die Voraussetzung
dafür gewesen, daß er von Ulm nach Augsburg reiste, ohne daß der Straßburger Rat
davon wußte. In gedrängter Kürze formulierte er noch einmal die entscheidenden
Einwände gegen das Interim und begründete damit seine und seiner Freunde Ableh-
nung, wobei er auf das soeben fertiggestellte Gutachten Bezug nahm.
Von einer Antwort des Kurfürsten auf diesen Brief ist uns nichts bekannt. Doch
schrieb Bucer am 11. Juli einen längeren Brief an Melanchthon und fügte eine Abschrift
des Briefes an den Kurfürsten vom 3. Juni bei. Jakob Sturm hatte kurz zuvor über die
Reaktion des Kurfürsten bei der Übergabe dieses Briefes berichtet: der Kurfürst sei
1. Vgl. Pol. Cor. 4, S. 952.ff.
2. Vgl. Pol. Cor. 4, S. 954, Anm. 9.
3. Vgl. dazu Einleitung und Text des >Briefmemorandums< vom 4. April 1548; s. oben S. 3 57H.
Zur Gesamtfrage vgl. W. Bellardi, Bucer und das Interim. S. 2670.
4. Vgl. Text und Einleitung zum Gutachten vom 29. Mai 1548, s. oben S. 439ff-
5. Abdruck in: Pol. Cor. 4, S. 973-981, bes. S. 973, Anm. 1.
 
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