3- WEGEN ABSCHAFFUNG GROBER LASTER
207
Dokument 3
H. Mathei Zell, Buceri, Vagij et D. Marpachij bedencken:
Wegen abschaffung grober läster vnd auffrichtung gueter
Ordnung vnd disciplin.
Productum Montag, den xj. Aprilis
Anno xlvij.
Das Jahr 1546 war vorübergegangen, ohne daß der Rat den Predigern geantwortet oder
ihren Vorschlägen entsprochen hätte, die sie in ihrer Schrift 'Von der Kirchen mengel
vnnd fähl< im Januar des Jahres unterbreitet hatten. Auf die dringenden Bitten der
>Errinnerung der Prediger an die Obrigkeit< vom Juli 1546 waren in Straßburg wöchent-
liche Buß- und Bettage eingerichtet und die alten Zuchtordnungen erneut auf den
Zunftstuben verlesen worden. Aber dann hatten sich die politischen Ereignisse über-
stürzt: Nach dem unglücklichen Donaufeldzug waren die Truppen der Fürsten des
Schmalkaldischen Bundes aus Süddeutschland abgezogen. Mehrere Reichsstädte hatten
von Karl V. Frieden erbeten, und um die Jahreswende 1546/47 mußten sich auch Ulm
und Württemberg unterwerfen. Straßburg sah sich mehr und mehr isoliert. Nach
schweren Verhandlungen und unter harten Bedingungen beugte sich auch die Stadt dem
Sieger. Doch in der Bevölkerung, die die kaiserlichen Bedingungen der Unterwerfung
erst spät erfahren hatte, wuchs die Unruhe. Nicht zuletzt durch die sonntäglichen
Predigten begriff man die wachsende politische und wirtschaftliche Bedrängnis Straß-
burgs als Heimsuchung und Zorngericht Gottes.
Am 11. April 1547 erschienen Bucer, Zell, Fagius und Marbach vor dem Rat. Sie
legten der Obrigkeit eine Schrift vor, die mit allem Ernst den Sorgen um das Heil der
Stadt und ihrer Bürger Ausdruck gab: >Bedencken wegen Abschaffung grober Laster
und Aufrichtung guter Ordnung und Disziplin.< Sie hinterließ offenbar einen nachhalti-
gen Eindruck und gab den letzten Anstoß dazu, daß der Rat nunmehr den Erlaß einer
neuen Zuchtordnung vorbereitete. Vgl. das Ratsprotokoll vom 11. April 1547; Rats-
protokolle 1547,f. I78ff.; Adam, S. z6zff.; W. Bellardi, Die Geschichte, S. 3off.
Bei dieser Initiative der Prediger ging es nicht eigentlich um eine verschärfte Kirchen-
zucht, sondern mehr noch um die Forderung an den Rat, zur Aufrechterhaltung oder
Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung schnell durchgreifende Maßnahmen zu
treffen. Aber dahinter steht der ernste und von Bucer mit Leidenschaft vertretene Ge-
danke, daß eine christliche Bürgerschaft sich auch im öffentlichen Leben als eine Ge-
meinde unter Gottes Wort und Gebot zu erweisen habe. Schärfer als in früheren Schrif-
ten werden hier Bürgergemeinde und Christengemeinde als Einheit gesehen. Darum
treten spezifisch seelsorgerliche Gedanken in dieser Schrift zurück. Auch die Bildung
von »Christlichen Gemeinschaften« wird nicht erwähnt. Sie erscheint hier weder als
eine Forderung der Prediger, noch wird sie als Weg zur Erneuerung der Kirche empfoh-
len.
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Dokument 3
H. Mathei Zell, Buceri, Vagij et D. Marpachij bedencken:
Wegen abschaffung grober läster vnd auffrichtung gueter
Ordnung vnd disciplin.
Productum Montag, den xj. Aprilis
Anno xlvij.
Das Jahr 1546 war vorübergegangen, ohne daß der Rat den Predigern geantwortet oder
ihren Vorschlägen entsprochen hätte, die sie in ihrer Schrift 'Von der Kirchen mengel
vnnd fähl< im Januar des Jahres unterbreitet hatten. Auf die dringenden Bitten der
>Errinnerung der Prediger an die Obrigkeit< vom Juli 1546 waren in Straßburg wöchent-
liche Buß- und Bettage eingerichtet und die alten Zuchtordnungen erneut auf den
Zunftstuben verlesen worden. Aber dann hatten sich die politischen Ereignisse über-
stürzt: Nach dem unglücklichen Donaufeldzug waren die Truppen der Fürsten des
Schmalkaldischen Bundes aus Süddeutschland abgezogen. Mehrere Reichsstädte hatten
von Karl V. Frieden erbeten, und um die Jahreswende 1546/47 mußten sich auch Ulm
und Württemberg unterwerfen. Straßburg sah sich mehr und mehr isoliert. Nach
schweren Verhandlungen und unter harten Bedingungen beugte sich auch die Stadt dem
Sieger. Doch in der Bevölkerung, die die kaiserlichen Bedingungen der Unterwerfung
erst spät erfahren hatte, wuchs die Unruhe. Nicht zuletzt durch die sonntäglichen
Predigten begriff man die wachsende politische und wirtschaftliche Bedrängnis Straß-
burgs als Heimsuchung und Zorngericht Gottes.
Am 11. April 1547 erschienen Bucer, Zell, Fagius und Marbach vor dem Rat. Sie
legten der Obrigkeit eine Schrift vor, die mit allem Ernst den Sorgen um das Heil der
Stadt und ihrer Bürger Ausdruck gab: >Bedencken wegen Abschaffung grober Laster
und Aufrichtung guter Ordnung und Disziplin.< Sie hinterließ offenbar einen nachhalti-
gen Eindruck und gab den letzten Anstoß dazu, daß der Rat nunmehr den Erlaß einer
neuen Zuchtordnung vorbereitete. Vgl. das Ratsprotokoll vom 11. April 1547; Rats-
protokolle 1547,f. I78ff.; Adam, S. z6zff.; W. Bellardi, Die Geschichte, S. 3off.
Bei dieser Initiative der Prediger ging es nicht eigentlich um eine verschärfte Kirchen-
zucht, sondern mehr noch um die Forderung an den Rat, zur Aufrechterhaltung oder
Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung schnell durchgreifende Maßnahmen zu
treffen. Aber dahinter steht der ernste und von Bucer mit Leidenschaft vertretene Ge-
danke, daß eine christliche Bürgerschaft sich auch im öffentlichen Leben als eine Ge-
meinde unter Gottes Wort und Gebot zu erweisen habe. Schärfer als in früheren Schrif-
ten werden hier Bürgergemeinde und Christengemeinde als Einheit gesehen. Darum
treten spezifisch seelsorgerliche Gedanken in dieser Schrift zurück. Auch die Bildung
von »Christlichen Gemeinschaften« wird nicht erwähnt. Sie erscheint hier weder als
eine Forderung der Prediger, noch wird sie als Weg zur Erneuerung der Kirche empfoh-
len.