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DIE LETZTEN STRASSBURGER JAHRE 1546-1549
Dokument 15
Responsio ad Senatum
(2. Februar 1549)
Seit dem Herbst 1548 stand der Rat der Stadt Straßburg vor der schweren Entscheidung,
entweder in Verhandlungen mit dem Bischof über die Einführung des Interims einzu-
treten oder ein ähnliches Schicksal wie Konstanz, d. h. Reichsacht und Besetzung,
erwarten zu müssen. Er hatte seine Prediger immer wieder gebeten, ermahnt, ihnen
gedroht und befohlen, von den Kanzeln nicht gegen das Interim Stellung zu nehmen,
während er mit dem Kaiser um Aufschub rang. Aber nur einzelne hatten sich dem
gefügt. Die führenden Männer wie Bucer, Fagius, Nigri und Marbach hatten sich die-
sem Ansinnen versagt. Im Januar 1549 verschärfte sich die Lage dadurch, daß erste
offizielle Besprechungen zwischen Vertretern des Rates und bischöflischen Räten nicht
mehr zu umgehen waren. Der Rat erbat und erhielt die Zustimmung zu weiteren Ver-
handlungen durch die Schöffenversammlung, die ihm im sogenannten »Schöffenschluß«
vom 23. Januar 1549 die erforderlichen Vollmachten gab. Jetzt mußte ersieh auch nach
der Seite der Prediger hin freie Hand schaffen. Die Unruhe unter der Bevölkerung
entsprach dem schweren Gewissenskonflikt, in dem sich nicht nur die Prediger, sondern
auch die meisten der Ratsherren befanden.
Am 25. Januar 1549 wurden die Wortführer des Predigerkonvents, an ihrer Spitze
Bucer und Fagius, vor den Interimsausschuß des Rates geladen. Der »furtrag meiner
herren«, ein Appell zur Annahme des Interims oder doch zu stillschweigender Duldung
seiner Einführung, wurde ihnen vorgelesen (Ratsprotokolle 1549, f. 17; AST 49, Nr. n:
»M. H. furtrag an die Pfarherren allhie wegen annemung des Interims, anno 1549, 25.
Januar«). Einige Tage danach erhielten sie auf ihre Bitte hin eine Abschrift dieser von
Jakob Sturm korrigierten und wohl auch verfaßten Stellungnahme des Rates. Noch
einmal wurden sie dringend beschworen, doch nicht mit »anreitzlichen« Reden die
Verhandlungen des Rates mit dem Bischof zu erschweren. Nach Besprechungen im
Predigerkonvent entwarf Bucer eine >Responsio ad Senatum< (A), deren Reinschrift er
noch einmal gründlich überarbeitete (B), ehe die endgültige Form der Antwort (C) am
2. Februar 1549 dem Rat übergeben wurde.
Die Schrift Bucers und der Prediger liegt uns in drei Handschriften vor.
A: AST39,Nr. 15 (S. 3 31-3 68)-handschriftlicher Entwurf Bucers, vielfach korrigiert,
15 Blätter, 1-16 numeriert, f. 13 fehlt. Überschrift von späterer Hand: >Responsio ad
Senatum. 2. februarij i549-<
B: AST 84, Nr. 60a - Reinschrift von Schreiberhand; von Bucer stark durchkorrigiert;
14 Blätter (12 sind von Schreiberhand, 2 Einlagen von Bucers Hand) mit Schlußflos-
kel von Bucer; vollständig. - Überschrift: >Vff vnser G. Herrn Ermanung, begeren
vnd beuelch, die Predigen zu mässigen, Antworte — Marginalie von anderer Hand:
»Vbergeben 2. februarij An. 1549.«
C: AST 84, Nr. 60b - Reinschrift von Schreiberhand (ohne Korrekturen); alle Kor-
rekturen Bucers in B eingearbeitet; 10 Blätter, unvollständig, da der Schluß - etwa 4
Blätter - fehlt. Überschrift (von späterer Hand): >Antwort auff meiner gn. Herrn
vermanen, bitten vnd begeren ann jre furneme Kirchendiener, die predigen zu
DIE LETZTEN STRASSBURGER JAHRE 1546-1549
Dokument 15
Responsio ad Senatum
(2. Februar 1549)
Seit dem Herbst 1548 stand der Rat der Stadt Straßburg vor der schweren Entscheidung,
entweder in Verhandlungen mit dem Bischof über die Einführung des Interims einzu-
treten oder ein ähnliches Schicksal wie Konstanz, d. h. Reichsacht und Besetzung,
erwarten zu müssen. Er hatte seine Prediger immer wieder gebeten, ermahnt, ihnen
gedroht und befohlen, von den Kanzeln nicht gegen das Interim Stellung zu nehmen,
während er mit dem Kaiser um Aufschub rang. Aber nur einzelne hatten sich dem
gefügt. Die führenden Männer wie Bucer, Fagius, Nigri und Marbach hatten sich die-
sem Ansinnen versagt. Im Januar 1549 verschärfte sich die Lage dadurch, daß erste
offizielle Besprechungen zwischen Vertretern des Rates und bischöflischen Räten nicht
mehr zu umgehen waren. Der Rat erbat und erhielt die Zustimmung zu weiteren Ver-
handlungen durch die Schöffenversammlung, die ihm im sogenannten »Schöffenschluß«
vom 23. Januar 1549 die erforderlichen Vollmachten gab. Jetzt mußte ersieh auch nach
der Seite der Prediger hin freie Hand schaffen. Die Unruhe unter der Bevölkerung
entsprach dem schweren Gewissenskonflikt, in dem sich nicht nur die Prediger, sondern
auch die meisten der Ratsherren befanden.
Am 25. Januar 1549 wurden die Wortführer des Predigerkonvents, an ihrer Spitze
Bucer und Fagius, vor den Interimsausschuß des Rates geladen. Der »furtrag meiner
herren«, ein Appell zur Annahme des Interims oder doch zu stillschweigender Duldung
seiner Einführung, wurde ihnen vorgelesen (Ratsprotokolle 1549, f. 17; AST 49, Nr. n:
»M. H. furtrag an die Pfarherren allhie wegen annemung des Interims, anno 1549, 25.
Januar«). Einige Tage danach erhielten sie auf ihre Bitte hin eine Abschrift dieser von
Jakob Sturm korrigierten und wohl auch verfaßten Stellungnahme des Rates. Noch
einmal wurden sie dringend beschworen, doch nicht mit »anreitzlichen« Reden die
Verhandlungen des Rates mit dem Bischof zu erschweren. Nach Besprechungen im
Predigerkonvent entwarf Bucer eine >Responsio ad Senatum< (A), deren Reinschrift er
noch einmal gründlich überarbeitete (B), ehe die endgültige Form der Antwort (C) am
2. Februar 1549 dem Rat übergeben wurde.
Die Schrift Bucers und der Prediger liegt uns in drei Handschriften vor.
A: AST39,Nr. 15 (S. 3 31-3 68)-handschriftlicher Entwurf Bucers, vielfach korrigiert,
15 Blätter, 1-16 numeriert, f. 13 fehlt. Überschrift von späterer Hand: >Responsio ad
Senatum. 2. februarij i549-<
B: AST 84, Nr. 60a - Reinschrift von Schreiberhand; von Bucer stark durchkorrigiert;
14 Blätter (12 sind von Schreiberhand, 2 Einlagen von Bucers Hand) mit Schlußflos-
kel von Bucer; vollständig. - Überschrift: >Vff vnser G. Herrn Ermanung, begeren
vnd beuelch, die Predigen zu mässigen, Antworte — Marginalie von anderer Hand:
»Vbergeben 2. februarij An. 1549.«
C: AST 84, Nr. 60b - Reinschrift von Schreiberhand (ohne Korrekturen); alle Kor-
rekturen Bucers in B eingearbeitet; 10 Blätter, unvollständig, da der Schluß - etwa 4
Blätter - fehlt. Überschrift (von späterer Hand): >Antwort auff meiner gn. Herrn
vermanen, bitten vnd begeren ann jre furneme Kirchendiener, die predigen zu