io. GNAD, TROST VND STERCKE
481
Dokument 10
Zweites Gutachten der Straßburger Prediger
zum Interim: Gnad, tröst vnd stercke ...
(27. Juni 1548)
Am 25. Mai 1548 war der Text des Interims in Straßburg eingetroffen.
Auf Bitten des Rates hatten Bucer und die Prediger ein erstes Gutachten zum Interim
verfaßt und es am 28. Mai dem Rat eingereicht. Es hatte den bezeichnenden Titel getra-
gen: >Welcher Massen das INTERIM den Christlichen Stenden Augspurgischer Con-
fession ist vorgegeben vnd vfferlegn1. Der Rat hatte die Schrift am 3. Juni nach Augs-
burg abgeschickt.
Doch die Straßburger Gesandten hatten offenbar etwas anderes erwartet, eine gezielte
theologische Kritik der einzelnen Interimsartikel. Es fehlten ihnen handfeste theologi-
sche Argumente für das Gespräch mit anderen Städtevertretern, die angesichts der
Machtverhältnisse im Reich und auf dem Reichstag geneigt waren, auch das religiöse
Gewicht des Interims zu bagatellisieren.
So baten Jakob Sturm und Hans von Odratzheim am 10. Juni den Rat2, er möge
Bucer ein spezifiziertes theologisches Gutachten zum Interim erstellen lassen. In der
Sitzung vom 18. Juni wurde entsprechend beschlossen3. Nachdem Bucer und die Predi-
ger sich untereinander verständigt hatten, arbeiteten sie eine volle Woche an dieser
Stellungnahme. Bucer legte am 26. Juni dem Rat eine sehr ausführliche Schrift vor, die
man später als »Deliberation, Ratschlag und Antwort« oder »Bericht und Antwort aufs
Interim« registrierte. Sie hatte zwei Teile: eine eingehende Situationsschilderung, die in
einen Gewissensappell an den Rat ausklang, und einen kritischen Kommentar zu den
einzelnen Artikeln des Interims.
Die breit angelegte und grundsätzliche Einleitung von etwa einem Drittel des Ge-
samtumfangs macht eindringlich auf die Gegebenheiten der gegenwärtigen Lage mit
ihrer Gefahr für die freie Verkündigung des Evangeliums aufmerksam. Der Reichstag
stand vor Beschlüssen, die Stadt und Kirche in Straßburg unmittelbar in ihrer Existenz
bedrohen mußten. Die Haltung des Kaisers hatte sich versteift, nachdem seine Reli-
gionspolitik an der harten Ablehnung des Interims durch die katholischen Reichsstände
und den Papst gescheitert war. Einige Reichsstädte waren, zum Teil unter massivem
Druck, bereit, dem Interim zuzustimmen, das inzwischen zu einem Ausnahmegesetz
für die Protestanten geworden war.
Aber Länge und Breite der Bucerschen Schrift entsprachen nicht den Wünschen des
Rates und seiner Gesandten. Deshalb bemängelte der Ratsherr Ludwig Gremp schon
am 27. Juni den Umfang des Gutachtens und bat um eine verkürzte Zweitfassung4. Der
Rat schloß sich seiner Bitte an. Daraufhin kürzte Bucer den ersten Teil etwa auf die
1. Vgl. S. 43 9H. dieses Bandes. In Pol.Cor. 4, S. 972, Anm. 3 sind Fundstellen angegeben, an
denen sich Abschriften des zweiten, nicht des ersten Gutachtens finden.
2. Vgl. Pol.Cor. 4, S. 986ff. (bes. S. 988).
3. Vgl. Ratsprotokolle 1548, f. 313.
4. Vgl. Ratsprotokolle 1548, f. 328f.
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Dokument 10
Zweites Gutachten der Straßburger Prediger
zum Interim: Gnad, tröst vnd stercke ...
(27. Juni 1548)
Am 25. Mai 1548 war der Text des Interims in Straßburg eingetroffen.
Auf Bitten des Rates hatten Bucer und die Prediger ein erstes Gutachten zum Interim
verfaßt und es am 28. Mai dem Rat eingereicht. Es hatte den bezeichnenden Titel getra-
gen: >Welcher Massen das INTERIM den Christlichen Stenden Augspurgischer Con-
fession ist vorgegeben vnd vfferlegn1. Der Rat hatte die Schrift am 3. Juni nach Augs-
burg abgeschickt.
Doch die Straßburger Gesandten hatten offenbar etwas anderes erwartet, eine gezielte
theologische Kritik der einzelnen Interimsartikel. Es fehlten ihnen handfeste theologi-
sche Argumente für das Gespräch mit anderen Städtevertretern, die angesichts der
Machtverhältnisse im Reich und auf dem Reichstag geneigt waren, auch das religiöse
Gewicht des Interims zu bagatellisieren.
So baten Jakob Sturm und Hans von Odratzheim am 10. Juni den Rat2, er möge
Bucer ein spezifiziertes theologisches Gutachten zum Interim erstellen lassen. In der
Sitzung vom 18. Juni wurde entsprechend beschlossen3. Nachdem Bucer und die Predi-
ger sich untereinander verständigt hatten, arbeiteten sie eine volle Woche an dieser
Stellungnahme. Bucer legte am 26. Juni dem Rat eine sehr ausführliche Schrift vor, die
man später als »Deliberation, Ratschlag und Antwort« oder »Bericht und Antwort aufs
Interim« registrierte. Sie hatte zwei Teile: eine eingehende Situationsschilderung, die in
einen Gewissensappell an den Rat ausklang, und einen kritischen Kommentar zu den
einzelnen Artikeln des Interims.
Die breit angelegte und grundsätzliche Einleitung von etwa einem Drittel des Ge-
samtumfangs macht eindringlich auf die Gegebenheiten der gegenwärtigen Lage mit
ihrer Gefahr für die freie Verkündigung des Evangeliums aufmerksam. Der Reichstag
stand vor Beschlüssen, die Stadt und Kirche in Straßburg unmittelbar in ihrer Existenz
bedrohen mußten. Die Haltung des Kaisers hatte sich versteift, nachdem seine Reli-
gionspolitik an der harten Ablehnung des Interims durch die katholischen Reichsstände
und den Papst gescheitert war. Einige Reichsstädte waren, zum Teil unter massivem
Druck, bereit, dem Interim zuzustimmen, das inzwischen zu einem Ausnahmegesetz
für die Protestanten geworden war.
Aber Länge und Breite der Bucerschen Schrift entsprachen nicht den Wünschen des
Rates und seiner Gesandten. Deshalb bemängelte der Ratsherr Ludwig Gremp schon
am 27. Juni den Umfang des Gutachtens und bat um eine verkürzte Zweitfassung4. Der
Rat schloß sich seiner Bitte an. Daraufhin kürzte Bucer den ersten Teil etwa auf die
1. Vgl. S. 43 9H. dieses Bandes. In Pol.Cor. 4, S. 972, Anm. 3 sind Fundstellen angegeben, an
denen sich Abschriften des zweiten, nicht des ersten Gutachtens finden.
2. Vgl. Pol.Cor. 4, S. 986ff. (bes. S. 988).
3. Vgl. Ratsprotokolle 1548, f. 313.
4. Vgl. Ratsprotokolle 1548, f. 328f.