8. WELCHER MASSEN DAS INTERIM
439
Dokument 8
Erstes Gutachten der Straßburger Prediger
zum Interim: Welcher Massen das Interim ...
(29. Mai 1548)
Im April 1548 war Bucer auf Bitten des Kurfürsten Joachim II. von Brandenburg in
Augsburg gewesen. Mündlich und schriftlich hatte er zu dem ihm vorgelegten Entwurf
des Interims, der deutschen Übersetzung der sogenannten »Märzformel«, Stellung
genommen1. Eine Unterschrift unter das Protokoll, das diese Stellungnahmen zusam-
menfaßte, hatte er abgelehnt2. Nach weiteren Gesprächen sowie in den im Hausarrest in
der kurfürstlichen Herberge verfaßten Briefen war ihm die Unterschrift unter das
Interim schließlich in verschärfter kaiserlicher Haft abgenötigt worden3.
Nach Bucers Abreise aus Augsburg am 20. April war der Text des Interims noch
mehrfach von seinen Verfassern Julius Pflug und Michael Helding revidiert worden.
Am 15. Mai hatte sodann Kaiser Karl V. vor Kurfürsten und Fürsten eine Propositio
zum Interim verlesen lassen4. Die Städte hatte er darüber am gleichen Tage durch zwei
seiner Räte informieren lassen. Zwei Tage später erfolgte dann in Gegenwart des Kaisers
vor allen Reichsständen die Verlesung der Propositio und sämtlicher 26 Artikel des
Interims. Fürstenrat und Städteausschuß erbaten sofort Abschrift der Texte, da von
ihnen eine schnelle Zustimmung oder doch begründete Stellungnahme erwartet wurde.
Auch jetzt noch hielten die Städte in der Mehrheit ihre gegenüber den Vorentwürfen
bereits geäußerte Ablehnung aufrecht, während von den Kurfürsten nur Moritz von
Sachsen und einzelne Fürsten ihre Zustimmung verweigerten. Am 19. Mai gewährte der
Kaiser dem Städterat die erbetene Audienz. Den kritischen Ausführungen des Wortfüh-
rers der Reichsstädte, des Straßburgers Jakob Sturm, trat er mit dem Argument entge-
gen, er habe von der Mehrheit der auf dem Reichstage vertretenen Stände die Zustim-
mung bereits erhalten. Das gebe ihm das Recht, das Interim in dieser Form in den
Reichstagsabschied aufzunehmen und damit als Reichsgesetz zu erlassen.
Die Straßburger Gesandten Jakob Sturm und Hans von Odratzheim schickten am 20.
Mai die Texte - Konzept (Propositio) und Ratschlag (Interim) genannt - an den Rat5.
Bereits am folgenden Tag schrieben sie einen zweiten Brief nach Straßburg, an die XIII,
die Ratskommission für die auswärtigen Angelegenheiten der Stadt, und baten, Bucer
mit einem theologischen Gutachten zu den übersandten Texten zu beauftragen6. Diese
Briefe erreichten die Stadt am 25. und 26. Mai. Nachdem man alle Schriftstücke im Rat
1. Mehrere Gespräche mit den Kurfürsten von der Pfalz und von Brandenburg; lateinischer Brief
an die beiden Kurfürsten vom 2. April; deutsches >Briefmemorandum< vom 4. April; zweiter
lateinischer Brief an die Kurfürsten vom 10. April. Vgl. diese Stücke im vorliegenden Band,
S. 35off., 357ff-, 4i6ff.
2. Vgl. Pol. Cor. 4, S. 9iiff.
3. Vgl. Pol. Cor. 4, S. 918, Anm. 7.
4. Vgl. die Aufzeichnungen Jakob Sturms über die Vorgänge in den Tagen vom 15. bis zum 18.
Mai in Pol. Cor. 4, S. 949ff.
5. Vgl. Pol. Cor. 4, S. 941, Z. 4; S. 952ff.
6. Vgl. Pol. Cor. 4, S. 954, Anm. 9.
439
Dokument 8
Erstes Gutachten der Straßburger Prediger
zum Interim: Welcher Massen das Interim ...
(29. Mai 1548)
Im April 1548 war Bucer auf Bitten des Kurfürsten Joachim II. von Brandenburg in
Augsburg gewesen. Mündlich und schriftlich hatte er zu dem ihm vorgelegten Entwurf
des Interims, der deutschen Übersetzung der sogenannten »Märzformel«, Stellung
genommen1. Eine Unterschrift unter das Protokoll, das diese Stellungnahmen zusam-
menfaßte, hatte er abgelehnt2. Nach weiteren Gesprächen sowie in den im Hausarrest in
der kurfürstlichen Herberge verfaßten Briefen war ihm die Unterschrift unter das
Interim schließlich in verschärfter kaiserlicher Haft abgenötigt worden3.
Nach Bucers Abreise aus Augsburg am 20. April war der Text des Interims noch
mehrfach von seinen Verfassern Julius Pflug und Michael Helding revidiert worden.
Am 15. Mai hatte sodann Kaiser Karl V. vor Kurfürsten und Fürsten eine Propositio
zum Interim verlesen lassen4. Die Städte hatte er darüber am gleichen Tage durch zwei
seiner Räte informieren lassen. Zwei Tage später erfolgte dann in Gegenwart des Kaisers
vor allen Reichsständen die Verlesung der Propositio und sämtlicher 26 Artikel des
Interims. Fürstenrat und Städteausschuß erbaten sofort Abschrift der Texte, da von
ihnen eine schnelle Zustimmung oder doch begründete Stellungnahme erwartet wurde.
Auch jetzt noch hielten die Städte in der Mehrheit ihre gegenüber den Vorentwürfen
bereits geäußerte Ablehnung aufrecht, während von den Kurfürsten nur Moritz von
Sachsen und einzelne Fürsten ihre Zustimmung verweigerten. Am 19. Mai gewährte der
Kaiser dem Städterat die erbetene Audienz. Den kritischen Ausführungen des Wortfüh-
rers der Reichsstädte, des Straßburgers Jakob Sturm, trat er mit dem Argument entge-
gen, er habe von der Mehrheit der auf dem Reichstage vertretenen Stände die Zustim-
mung bereits erhalten. Das gebe ihm das Recht, das Interim in dieser Form in den
Reichstagsabschied aufzunehmen und damit als Reichsgesetz zu erlassen.
Die Straßburger Gesandten Jakob Sturm und Hans von Odratzheim schickten am 20.
Mai die Texte - Konzept (Propositio) und Ratschlag (Interim) genannt - an den Rat5.
Bereits am folgenden Tag schrieben sie einen zweiten Brief nach Straßburg, an die XIII,
die Ratskommission für die auswärtigen Angelegenheiten der Stadt, und baten, Bucer
mit einem theologischen Gutachten zu den übersandten Texten zu beauftragen6. Diese
Briefe erreichten die Stadt am 25. und 26. Mai. Nachdem man alle Schriftstücke im Rat
1. Mehrere Gespräche mit den Kurfürsten von der Pfalz und von Brandenburg; lateinischer Brief
an die beiden Kurfürsten vom 2. April; deutsches >Briefmemorandum< vom 4. April; zweiter
lateinischer Brief an die Kurfürsten vom 10. April. Vgl. diese Stücke im vorliegenden Band,
S. 35off., 357ff-, 4i6ff.
2. Vgl. Pol. Cor. 4, S. 9iiff.
3. Vgl. Pol. Cor. 4, S. 918, Anm. 7.
4. Vgl. die Aufzeichnungen Jakob Sturms über die Vorgänge in den Tagen vom 15. bis zum 18.
Mai in Pol. Cor. 4, S. 949ff.
5. Vgl. Pol. Cor. 4, S. 941, Z. 4; S. 952ff.
6. Vgl. Pol. Cor. 4, S. 954, Anm. 9.