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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 17): Die letzten Strassburger Jahre: 1546 - 1549 — Gütersloh, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.30258#0444
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DIE LETZTEN STRASSBURGER JAHRE 1546-1549

verlesen hatte, wurde beschlossen, die Prediger um ihre schriftliche Stellungnahme zu
bitten7. Noch am z6. Mai erhielt Bucer die Texte und machte sich sogleich mit einigen
Kollegen an die Arbeit. Dabei stellte er fest, daß der ihm von den Augsburger Tagen her
bekannte Text von der Gegenseite in deren Sinne verändert worden war.
Ihre Antwort übergaben die Prediger am 29. Mai dem Rat, der ihre Schrift am folgen-
den Tage verlesen ließ, einige Korrekturen vorschlug und am 3. Juni an seine Gesandten
nach Augsburg sandte8.
In seiner Schrift wendet sich Bucer nicht so sehr an den Rat als vielmehr an die Ge-
meinden. Dafür ist die Anrede »lieben Christen« bezeichnend. Zweitens ist es der Stil
einer für weitere Kreise gedachten Information, wenn der Gegner im größeren Aus-
maße wörtlich zitiert wird. Schließlich ist der Titel des Gutachtens mit Absicht informa-
torisch formuliert: eich er Massen das INTERIM den Christlichen Stenden Augspurgi-
scher Confession ist vorgegeben vnd vfferlegt<, d. h. doch, es wird behauptet, der Kaiser
habe das Interim den protestantischen Reichsständen auferlegt, anstatt es als eine für
beide Religionsparteien zwischenzeitlich verbindliche Vergleichsformel zu dekretieren.
Die Schrift gliedert sich in drei Teile:
1. Wörtlich zitiert werden die beiden wichtigsten Absätze (7 und 8) der kaiserlichen
Propositio, zu denen in sechs Punkten kritisch geantwortet wird.
2. Vom Interim selbst werden behandelt die Artikel 4, 7, 9, 14, 16-25, während 11
Artikel ohne jeden Kommentar bleiben. Der Inhalt der genannten Artikel wird referiert
und widerlegt.
3. Artikel 26 (Von den Ceremonien) wird wieder in Abschnitten wörtlich zitiert und
jeweils glossiert. Es spricht einiges dafür, daß an diesem dritten Teil neben Bucer auch
andere Prediger mitgearbeitet haben.
Die ganze Art der Anlage legt die Vermutung nahe, daß Bucer das Gutachten drucken
lassen wollte. Das entsprach seinen Vorstellungen von der Mündigkeit der Gemeinde,
der er durch genaue Information zu eigener Urteilsbildung helfen wollte. Doch an einen
Druck war zu dieser Zeit kaum noch zu denken: Die inzwischen in Augsburg erlassene
kaiserliche Polizeiordnung untersagte jeden Druck von »Schmähschriften«, und das
hieß, von kritischen Stellungnahmen zum Interim9. Dafür verlasen die Straßburger
Prediger am 3. Juni von den Kanzeln eine gemeinsame Erklärung, die inhaltlich dem
Gutachten vom 29. Mai entsprach. Obwohl in ihr jede offene Polemik gegen das Inte-
rim offenbar vermieden war, löste sie in der Stadt eine heftige Kontroverse innerhalb der
Bevölkerung aus10.
7. Ratsprotokolle der Stadt Straßburg 1548, f. 282.
8. Vgl. Pol. Cor. 4, S. 97iff., bes. S. 972, Anm. 3. Offenbar haben die Herausgeber der Pol. Cor.
die Gutachten vom 29. Mai und vom 26. Juni verwechselt. S. unten. In der zitierten Anmerkung
sind die Fundorte des zweiten ausführlichen Gutachtens angegeben, das am 4. Juli nach Augsburg
abging und vier Unterschriften trug.
9. Jede Veröffentlichung in Religionssachen unterlag strenger Zensur, polemische Schriften
(»Schmehschrifften«) waren verboten. Vgl. den Text der Polizeiordnung in: Neue und vollst.
Reichsabschiede 2, Frankfurt a. M. 1747, 6o^f£. (Art. 35); Pol. Cor. 4, S. 959.
10. Vgl. zum Einzelnen W. Bellardi: Bucers »Summarischer Vergriff« und das Interim in Straß-
burg. In: ZKG 85. 1974. S. 64h:.; Fr. Wendel: Bucers Resume Sommaire. In: RHPR 33. 1951 -
Einleitung S. 5ff.
 
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