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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 2): Schriften der Jahre 1524 - 1528 — Gütersloh, 1962

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https://doi.org/10.11588/diglit.29139#0395
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SCHRIFTEN DER JAHRE 1524-1528

Die in dieser Eingabe ausgesprochene Forderung an den Straßburger
Rat, durch eine Ratskommission von zehn oder zwölf Ratsherren in
Erweiterung des Ratsmandats vom 1. Dezember 1523 die Befolgung
dieses Mandats überwachen zu lassen, entspricht ganz der von Bucer
seit seinem Eintreffen in Straßburg mit unerschütterlicher Konsequenz
vertretenen Auffassung vom Recht und von der Pflicht der Obrigkeit
zur Einrichtung und Kontrolle wahrer Religionsausübung. Diese Bucer-
sche Konzeption steht gleichfalls hinter dem am Schluß dieser Eingabe
gemachten Vorschlag, der Rat möge für das Straßburger Schulwesen
Sorge tragen 14. Damit wurde nun durch Bucer de facto dem Straßburger
Rat das Recht zur Oberhoheit über das Schulwesen in Straßburg zu-
gesprochen, das bis dahin in Straßburg - wie auch anderwärts - gänz-
lich der Kirche unterstanden hatte.

Auf dieser Grundlage, mit der Bucer in der Eingabe vom 31. August
1524 zugleich zum ersten Male in der Reformationszeit die Frage der
Neuordnung des Straßburger Schulwesens vor die Straßburger Öffent-
lichkeit bringt, ist die Neuorganisation des Straßburger Schulwesens in
der Folgezeit dann durchgeführt worden.

Es ist nicht zu hoch gegriffen, wenn gesagt worden ist, daß Bucer
für die gesamte Neuordnung des Straßburger Schulwesens in höherem
Maße »die treibende Macht, der geistige Leiter gewesen ist, als wir es
im einzelnen nachweisen können 15«. Bereits im November 1525 kann
Bucer an Beatus Rhenanus nach Schlettstadt unter anderem schreiben:
»... quin imo toti in hoc sumus, ut ludi hic per senatum reformentur,
id quod propediem videbis effectum 16«. Die wichtigsten Schuleingaben,
die die Prediger dem Straßburger Rat einreichten, sind nach Form und
Inhalt von Bucers Hand konzipiert worden. Bucer selbst erbittet sich
von Zwingli in einem Brief vom 29. Januar 1526 den Züricher Schul-
plan 17. Bucer ist es auch gewesen, der im Jahre 1526 die treibende Kraft

14. Mit dieser Anschauung von der Pflicht und vom Recht der Obrigkeit zur
Einrichtung und Erhaltung der wahren Religion steht B. im Rahmen der allgemei-
nen humanistischen Auffassung von der Obrigkeit. In klassischer Weise ist sie von
Erasmus in seiner »Institutio Principis Christiani« (1516) vertreten worden. Wie sich
auch sonst bei B. die Abhängigkeit von der »Institutio Principis« nachweisen läßt
(vgl. dazu vor allem Bd. 1 dieser Ausgabe, S. 37f., Anm. 16), so finden sich auch in
der Eingabe vom 31. August 1524 Anklänge an die Darlegungen des Erasmus in
seiner Schrift zur Schulfrage, vgl. unten, S. 395, Anm. 2.

15. G. Anrich, S. 68. Diese Tatsache ist besonders für eine Berechtigung der Ver-
öffentlichung der Schuleingaben der Straßburger Predikanten im Rahmen der Werke
Martin B.s von Bedeutung. Denn meist tritt ja hier B.s Name nur neben den Unter-
schriften Capitos, Hedios und anderen auf — oft wird er auch gar nicht genannt, da
die Predicanten seit dem 31. August 1524 vielfach kollektiv als »pfarrherrn und pre-
dicanten « unterzeichnen.

16. B. an Beatus Rhenanus, November 1525. Horawitz-Hartfelder, S. 349.

17. B. an Zwingli, 29. Januar 1526, CR Zw VIII, S. 515f. In Zürich war die erste
 
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