MESSGUTACHTEN
429
Ein letzter Versuch, die Stifte zur Beseitigung der Messe oder zur
Verteidigung derselben aus der Schrift zu bewegen, schlug fehl. Der
Magistrat war nunmehr fest entschlossen, den Handel vor die Schöffen
zu bringen. Daran konnten nunmehr weder die zwei Schreiben des
Bischofs (vom 8. und 14.12.) noch eine Abordnung des Reichsregiments,
die am 23. und 24. 12. 1528 mit dem Magistrat verhandelte, etwas
ändern.
Am 6. 1. 1529 beschloß man, die Schöffen auf die Schädlichkeit der
Messe, auf die Gefahren, die ihre Abschaffung mit sich bringen könne,
aber auch darauf hinzuweisen, daß man Gott mehr gehorchen solle als
den Menschen. Jeder solle seinem Gewissen folgen19.
Am Samstag, dem 20. 2. 1529 schritt man zur Abstimmung. Bei 21
fehlenden Schöffen forderten 184 die sofortige Suspendierung, 94 die
Beibehaltung bis zum Schluß des Speyerer Reichstages und nur einer
die bedingungslose Beibehaltung. Unverzüglich benachrichtigte man
Bischof und Reichsregiment, tags darauf die Stadt. Straßburg war
evangelisch geworden. Umfangreiche Apologien aber erwiesen sich als
nötig (so etwa »Anzeig eines Ehrsamen Rhats«, 1529). Zudem mußten
die Praedikanten daran gehen, für die nun abgeschafften Messen evan-
gelische »Kirchenübung« einzurichten (»Praedikanten Gutachten«,
1529).
Das man solchs alles gedultiglichen tragen, je einer mit dem andern ein mitliden
haben und dheiner dem andern vrsach der verfolgung vfflegen woll etc. Besonders
ein burgerliche vngeschwechte einigkeit vnd liebe mit und vnder ein ander halten.
So ist vil weger, unsern selen auch heilsamer, die gotslesterungen: Es sihe die Meß
oder anders, so siner vffsatzung zuwider, abzustellen, dann zu lyden und vns mit
gantzem hertzen zu Got dem Herrn als vnserm schopffer, in des gewalt wir ston,
zu keren und in die hend der menschen, dann in den zorn Gottes zu fallen, vnge-
zwivelter und tröstlicher hoffnung, Gott der herr werd vns vor der boßhafftigen
Welt, wie hoch die joch brangt und bocht, wol erhalten: dann es ist besser, uff den
Herren vertruwen, dann uff den menschen sich verlassen; jn der Welt haben wir
wyderwertigkeit, aber jn Got, vnsern Herren, haben wir frid; vrsach: er hat die Welt
vberwunden.
Doch for allen dingen, so itzt in der Kirchen, wann die meß abgethan oder vff
gehenckt, die Ceremonien alle abgestelt, das auch an die selbig stat das for angesetzt
Kirchen gesang oder sonst ein gottgevellig werck an die hant genommen, das selbig
an stat der meß angestelt und in bruch bracht werd, vnd das auch die Pfaffen mit
ernst daran gehalten, das sie dem stat thun vnd jn nit zulossen, sich des zu entslagen,
dann dwil man begirig, die Er Gottes zu fürdern und was der selbigen zu wider
abzuwenden: So soll auch man billich das jhen, so Gott angenem, vffrichten,
domit manich | from, guthertzig mensch, so nit an die predig gandt, auch durch das
predigen mer an kopff gestossen, zu zorn und wider willen bewegt, dan zu gedult
und langmütikeit gefürt wird, auch ein gotgevellig vbung haben mag.
Gott woll, das die einig Er Gottes das hauptstuck des fürnemens seye.
19. Bei J W. Baum, S. 441-445.
146 v
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Ein letzter Versuch, die Stifte zur Beseitigung der Messe oder zur
Verteidigung derselben aus der Schrift zu bewegen, schlug fehl. Der
Magistrat war nunmehr fest entschlossen, den Handel vor die Schöffen
zu bringen. Daran konnten nunmehr weder die zwei Schreiben des
Bischofs (vom 8. und 14.12.) noch eine Abordnung des Reichsregiments,
die am 23. und 24. 12. 1528 mit dem Magistrat verhandelte, etwas
ändern.
Am 6. 1. 1529 beschloß man, die Schöffen auf die Schädlichkeit der
Messe, auf die Gefahren, die ihre Abschaffung mit sich bringen könne,
aber auch darauf hinzuweisen, daß man Gott mehr gehorchen solle als
den Menschen. Jeder solle seinem Gewissen folgen19.
Am Samstag, dem 20. 2. 1529 schritt man zur Abstimmung. Bei 21
fehlenden Schöffen forderten 184 die sofortige Suspendierung, 94 die
Beibehaltung bis zum Schluß des Speyerer Reichstages und nur einer
die bedingungslose Beibehaltung. Unverzüglich benachrichtigte man
Bischof und Reichsregiment, tags darauf die Stadt. Straßburg war
evangelisch geworden. Umfangreiche Apologien aber erwiesen sich als
nötig (so etwa »Anzeig eines Ehrsamen Rhats«, 1529). Zudem mußten
die Praedikanten daran gehen, für die nun abgeschafften Messen evan-
gelische »Kirchenübung« einzurichten (»Praedikanten Gutachten«,
1529).
Das man solchs alles gedultiglichen tragen, je einer mit dem andern ein mitliden
haben und dheiner dem andern vrsach der verfolgung vfflegen woll etc. Besonders
ein burgerliche vngeschwechte einigkeit vnd liebe mit und vnder ein ander halten.
So ist vil weger, unsern selen auch heilsamer, die gotslesterungen: Es sihe die Meß
oder anders, so siner vffsatzung zuwider, abzustellen, dann zu lyden und vns mit
gantzem hertzen zu Got dem Herrn als vnserm schopffer, in des gewalt wir ston,
zu keren und in die hend der menschen, dann in den zorn Gottes zu fallen, vnge-
zwivelter und tröstlicher hoffnung, Gott der herr werd vns vor der boßhafftigen
Welt, wie hoch die joch brangt und bocht, wol erhalten: dann es ist besser, uff den
Herren vertruwen, dann uff den menschen sich verlassen; jn der Welt haben wir
wyderwertigkeit, aber jn Got, vnsern Herren, haben wir frid; vrsach: er hat die Welt
vberwunden.
Doch for allen dingen, so itzt in der Kirchen, wann die meß abgethan oder vff
gehenckt, die Ceremonien alle abgestelt, das auch an die selbig stat das for angesetzt
Kirchen gesang oder sonst ein gottgevellig werck an die hant genommen, das selbig
an stat der meß angestelt und in bruch bracht werd, vnd das auch die Pfaffen mit
ernst daran gehalten, das sie dem stat thun vnd jn nit zulossen, sich des zu entslagen,
dann dwil man begirig, die Er Gottes zu fürdern und was der selbigen zu wider
abzuwenden: So soll auch man billich das jhen, so Gott angenem, vffrichten,
domit manich | from, guthertzig mensch, so nit an die predig gandt, auch durch das
predigen mer an kopff gestossen, zu zorn und wider willen bewegt, dan zu gedult
und langmütikeit gefürt wird, auch ein gotgevellig vbung haben mag.
Gott woll, das die einig Er Gottes das hauptstuck des fürnemens seye.
19. Bei J W. Baum, S. 441-445.
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