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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 2): Schriften der Jahre 1524 - 1528 — Gütersloh, 1962

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https://doi.org/10.11588/diglit.29139#0435
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SCHRIFTEN DER JAHRE 1524-1528

2. Die Argumentation

Wir begegnen in den - oft in polemisch-schroffem Tone gehaltenen -
Schriften der Straßburger Praedikanten gegen die Messe immer wieder
der gleichen Gedankenführung. Sie ist meist logisch und klar, nicht
selten sogar stringent, wenn auch die schärfsten Formulierungen (so
etwa, daß die Messe die ärgste aller möglichen Abgöttereien sei) nur
behauptet und nicht bewiesen werden. Trotz aller Schärfe ist die
Argumentation der unter Bucers Einfluß stehenden Straßburger Praedi-
kanten nicht fanatisch verkrampft, sondern von der ruhigen Sicherheit
getragen, von Gott gelehrt zu sein und nur seinen Willen zu tun.
Biblische Zitate und Reminiszenzen beherrschen in hohem Maße nicht
nur die Einzelformulierungen, sondern auch den ganzen Denkstil.
Dabei ist die auch sonst bei Martin Bucer zu findende Orientierung am
Alten Testamente und die oft unreflektierte Übernahme alttestament-
licher Gebote und Vorbilder nicht zu übersehen. Die von uns angeführ-
ten biblischen Belege können es nur zum Teile zeigen, wie stark biblisch,
ja beinahe biblizistisch geprägt Stil und Argumentation der Meß-
gutachten sind.

Die Gedankenführung ist - stark verkürzt - folgende: Die Messe ist
ein Menschenfündlein und muß es auch sein, da die ganze Heilige Schrift,
die ja doch alles zum Heile Notwendige lehre, ja alles Gute überhaupt,
sie nicht kenne und nenne. Da jedoch Gott selbst in seinem Gesetze es
verboten hat, etwas seinem Gebote hinzuzufügen, so ist sie also ein
schriftwidriges Menschenfündlein. Außerdem stelle sie eine greuliche
Gotteslästerung dar, denn die Meßpfaffen, die sich zudem noch in ihrer
Lebensführung als die ärgsten Feinde des göttlichen Gebotes und des
wahren Glaubens erwiesen und die Messen nur um des Geldes willen
als vom Herren verworfenen Bauch dienst hielten, lehrten ja doch, man
solle sein Vertrauen auf die Messe als auf das höchste gute Werk und
den Gott wohlgefälligsten Gottesdienst setzen. Vertrauen aber dürfe
der Mensch nach den Aussagen der ganzen heiligen Schrift allein auf
Gott und Gottes eingeborenen Sohn, der uns durch sein ein für alle
Male geschehenes Opfer am Kreuze erlöst hat. Da also die Messe diesem
Hauptpunkte der christlichen Lehre Widerstand entgegensetze und
die Einsetzung des Nachtmahles Christi, das ja darauf hin weist, allein
seinem Opfertode zu vertrauen, ins Gegenteil verkehre, ist sie nicht
allein eine furchtbare Gotteslästerung, sondern auch der ärgste aller in
Gegenwart und Vergangenheit geschehenen und in Zukunft denkbaren
Greuel.

Wie die heilige Schrift nichts von der Messe weiß, so ist sie auch der
ältesten Christenheit unbekannt gewesen. Ihre Widergöttlichkeit kann
jederzeit und jedermann bewiesen werden: so fordern auch die Praedi-
 
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