Einleitung
Am Freitag vor Pfingsten, den 7. Juni 1527, schlug der Wormser
Prädikant Jakob Kautz 1 an der Kirchtür des dortigen Predigerklosters
sieben Thesen an, in denen er die Hauptsätze seines Glaubens zusammen-
faßte und sich zu einer öffentlichen Disputation erbot. Die bekannte
Wormser Chronik des Friedrich Zorn schreibt darüber: »Sind dero-
wegen durch seine [des Teufels] anstiftung in Pfingsfeyertagen solche
Artikel an die Kirchen angeschlagen worden, aus welchen groß ärger-
nus im volck erwachsen, welche von Wort zu Wort also gelaut haben:
Jacob Kautz, Prädicant zu Worms mit seinen Brüdern Hetzer, Denck
und Rink wünscht allen Christen erkenntnus des Vaters durch Jesum
Christum seinen lieben Son. Amen ... 2« Obwohl der Chronist seinem
Text ausdrücklich eine wörtliche Genauigkeit zuschreibt, kann diese
Fassung der Einleitung doch nicht als authentisch betrachtet werden.
Denn von dem Einblattdruck, in dem die Kautzschen Artikel verviel-
fältigt waren und verbreitet wurden, ist ein Exemplar im General-
Landesarchiv zu Karlsruhe erhalten geblieben 3, und hier lautet der
betreffende Passus: »Jacob Kautz, predicant zu Wormbs, mit seinen
brüdern wünscht allen menschen erkantnuß des Vatters durch Jesum
Christum seinen lieben Sun. Amen.« Es kann demnach keinem Zweifel
unterliegen, daß die Einfügung der drei Namen Hetzer, Denck und Rink
eine willkürliche Zutat des Chronisten ist. Es lag ja in der Tat nahe,
eine solche Ergänzung vorzunehmen, denn wenn Kautz von »seinen
brüdern« redet, so muß darin allerdings zunächst eine Anspielung auf
diese drei damals in Worms weilenden Vertreter der täuferischen Be-
wegung erblickt werden. Ebenso deutlich ergibt sich aber aus dem
Wortlaut der originalen Fassung, daß Kautz sich doch als den verant-
wortlichen Verfasser der Thesen kundtat. Der Inhalt dieser Thesen
läßt sich in folgenden Hauptpunkten kurz zusammenfassen: Vorrang
des inneren Worts vor dem äußeren; Ablehnung der Sakramente, der
Kindertaufe und der Realpräsenz im Abendmahl; Abhängigkeit der
Wirkung des Versöhnungswerkes Christi von der Nachfolge und dem
inneren Gehorsam des Menschen. Die auf den 13. Juni angesetzte
Disputation über diese Artikel hat offenbar nicht stattgefunden. Denn
der Bericht über die Wormser Vorgänge, den Dr. Wolf von Affenstein,
der Statthalter des Bistums Worms, an eben diesem Tage an den pfäl-
1. Literatur über ihn siehe bei Schottenloher, Bd. 1, Nr. 9656ff., und Bd. 5, Nr.
47152f.
2. Nach dem Abdruck bei Adalbert Becker: Beiträge zur Geschichte der Frei-
und Reichsstadt Worms und der daselbst seit 1527 errichteten Höheren Schulen.
Worms 1880. S. 41f.
3. Abgedruckt in Täuferakten, Bd. 4, Baden und Pfalz (1951), S. 113f., Nr. 129.
Am Freitag vor Pfingsten, den 7. Juni 1527, schlug der Wormser
Prädikant Jakob Kautz 1 an der Kirchtür des dortigen Predigerklosters
sieben Thesen an, in denen er die Hauptsätze seines Glaubens zusammen-
faßte und sich zu einer öffentlichen Disputation erbot. Die bekannte
Wormser Chronik des Friedrich Zorn schreibt darüber: »Sind dero-
wegen durch seine [des Teufels] anstiftung in Pfingsfeyertagen solche
Artikel an die Kirchen angeschlagen worden, aus welchen groß ärger-
nus im volck erwachsen, welche von Wort zu Wort also gelaut haben:
Jacob Kautz, Prädicant zu Worms mit seinen Brüdern Hetzer, Denck
und Rink wünscht allen Christen erkenntnus des Vaters durch Jesum
Christum seinen lieben Son. Amen ... 2« Obwohl der Chronist seinem
Text ausdrücklich eine wörtliche Genauigkeit zuschreibt, kann diese
Fassung der Einleitung doch nicht als authentisch betrachtet werden.
Denn von dem Einblattdruck, in dem die Kautzschen Artikel verviel-
fältigt waren und verbreitet wurden, ist ein Exemplar im General-
Landesarchiv zu Karlsruhe erhalten geblieben 3, und hier lautet der
betreffende Passus: »Jacob Kautz, predicant zu Wormbs, mit seinen
brüdern wünscht allen menschen erkantnuß des Vatters durch Jesum
Christum seinen lieben Sun. Amen.« Es kann demnach keinem Zweifel
unterliegen, daß die Einfügung der drei Namen Hetzer, Denck und Rink
eine willkürliche Zutat des Chronisten ist. Es lag ja in der Tat nahe,
eine solche Ergänzung vorzunehmen, denn wenn Kautz von »seinen
brüdern« redet, so muß darin allerdings zunächst eine Anspielung auf
diese drei damals in Worms weilenden Vertreter der täuferischen Be-
wegung erblickt werden. Ebenso deutlich ergibt sich aber aus dem
Wortlaut der originalen Fassung, daß Kautz sich doch als den verant-
wortlichen Verfasser der Thesen kundtat. Der Inhalt dieser Thesen
läßt sich in folgenden Hauptpunkten kurz zusammenfassen: Vorrang
des inneren Worts vor dem äußeren; Ablehnung der Sakramente, der
Kindertaufe und der Realpräsenz im Abendmahl; Abhängigkeit der
Wirkung des Versöhnungswerkes Christi von der Nachfolge und dem
inneren Gehorsam des Menschen. Die auf den 13. Juni angesetzte
Disputation über diese Artikel hat offenbar nicht stattgefunden. Denn
der Bericht über die Wormser Vorgänge, den Dr. Wolf von Affenstein,
der Statthalter des Bistums Worms, an eben diesem Tage an den pfäl-
1. Literatur über ihn siehe bei Schottenloher, Bd. 1, Nr. 9656ff., und Bd. 5, Nr.
47152f.
2. Nach dem Abdruck bei Adalbert Becker: Beiträge zur Geschichte der Frei-
und Reichsstadt Worms und der daselbst seit 1527 errichteten Höheren Schulen.
Worms 1880. S. 41f.
3. Abgedruckt in Täuferakten, Bd. 4, Baden und Pfalz (1951), S. 113f., Nr. 129.