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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 4): Zur auswärtigen Wirksamkeit: 1528 - 1533 — Gütersloh, 1975

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https://doi.org/10.11588/diglit.29141#0208
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204

ZUR AUSWÄRTIGEN WIRKSAMKEIT 1528-1533

Schrift »Grund und Ursach« (1524) hinsichtlich Straßburgs unterzogen93.
Die Grundgedanken jener Schrift entwickelt er nun neu für die Ulmer
Verhältnisse, wie das »Gemain außschreiben« überhaupt eine Verteidi-
gungsschrift der Ulmer Reformation und der neuen evangelischen
Ulmer Kirchenordnung darstellen sollte, die nachweislich mit einem be-
sonderen Begleitschreiben an alle Fürsten, Städte und eine Reihe geist-
licher Würdenträger versandt worden ist94. In diesem »Gemain auß-
schreiben« wird einerseits die evangelische Bewegung in ihren Motiven
als Herstellung und Wahrung des Alten beschrieben95, andererseits wird das
Recht einer politischen christlichen Obrigkeit verteidigt, beim Versagen
der jeweiligen geistlichen Obrigkeit ordnende und leitende Funktionen
innerhalb der Kirche zu übernehmen96. Insbesondere wird auf das jahre-
lange Ausbleiben eines lang erwarteten Konzils zur Lösung der Reli-
gionsfrage hingewiesen97.
Ausführlich wird die Auseinandersetzung mit dem altgläubigen
Dr. Oßwald aus Geißlingen, die ja speziell Bucer geführt hat, dargelegt
und die Haltlosigkeit seiner Argumentation demonstriert98. Im Blick auf
die vorgenommene Neuordnung der Sakramente, der Bilderabschaffung,
der Feiertags- und Sonntagsregelung und im Blick auf die Klosterrefor-
mation wird die Übereinstimmung mit den alten evangelischen Bräuchen
der ersten Christenheit unterstrichen. Das »Gemain außschreiben« hat
damit ein ausgesprochen apologetisches Interesse, wie es denn auch
Bucer selbst und ebenfalls Oekolampad in ihren Briefen zutreffend als

93. Vgl. uns. Ausg., Bd. 1, S. 185-278.
94. Vgl. die Angaben bei J.Endriß: Das Ulmer Reformationsjahr 1531, a.a.O., bes.
S. 71. So befinden sich zum Beispiel noch im Stadtarchiv Augsburg, Fascikel 1531 1/8,
das von Ulm nach Augsburg gesandte Exemplar des »Gemain außschreibens« und das
dazugehörige (vorgedruckte) Beischreiben mit dem Datum vom 1. August 1531. Vgl.
dazu auch unten den Abdruck bei Anlage 1.
95. In dieser Weise hatte B. auch in »Grund und Ursach« (1524) im Blick auf die
Straßburger Verhältnisse der dortigen evangelischen Bewegung argumentiert, vgl.
besonders die Widmungsvorrede an Pfalzgraf Friedrich, uns.Ausg.Bd. 1, S. 194-205.
96. Diesen Gedanken hat vor allem Martin Luther in seiner Schrift »An den christ-
lichen Adel deutscher Nation« (1520) erstmals zum Ausdruck gebracht und damit die
Argumentation seiner Anhänger wesentlich bestimmt, vgl. den Abdruck WA 6,
404-469, bes.404, 12ff., 408, 8ff., 410, 3ff. u.ö.
97. Vgl. unten den Abdruck bei Anlage 1. Auch für diese Argumentation finden
sich die Anhaltspunkte zuerst bei Luther selbst, vgl. zum Beispiel in der Schrift »An
den christlichen Adel«, WA 6,413,1 ff.
Zu Luthers Konzilsanschauungen siehe jetzt die Untersuchung von Chr. Tecklen-
burg-Johns: Luthers Konzilsidee in ihrer historischen Bedingtheit und ihrem reforma-
torischen Neuansatz, Berlin 1966. Vgl. dazu auch meine Rezension im ARG, Jg. 59,
1968.
98. Vgl. dazu den Abdruck unten bei Anlage 1. B. hat ja die praktische Auseinander-
setzung mit dem Geißlinger Pfarrer Dr.Oßwald vor allem geführt; vgl. oben bei
Anm. 51.
 
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