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IM KAMPF UM DEN RECHTEN GLAUBEN
auf das zu erwartende Konzil. In ihr zeigt Bucer deutlich an, worauf man bei
einem Religionsgespräch zu achten hat und in welcher Weise eine Einigung in
Glaubensfragen erreicht werden kann27. Dementsprechend greift er zur äußeren
Form des Dialogs und trägt in der Gestalt des Gothertz seine eigene Meinung vor
im Gespräch mit dem Vertreter des alten Glaubens, Gotprächt.
Bucers Anschauungen vom Konzil sind im wesentlichen die der evangelischen
Stände in ihrer auf die Wittenberger, besonders Luther, zurückgehenden Stellung-
nahme vom 30. Juni 1533. Luther lehnt in seinen beiden Bedenken das vom Papst
angekündigte Konzil ab, weil es wie die vorangegangenen unter dessen eigener
Leitung stattfinden soll und deshalb nicht das vom Kaiser versprochene, freie,
christliche Konzil sein kann, dessen Beschlüssen sich auch der Papst zu unter-
werfen hat28. Das sind die gleichen Gedanken, die Luther schon in seiner zweiten
>Appellation odder beruffung an eyn Christlich frey Concilium< 1520 hat laut
werden lassen29, und in seiner Schrift >An den Christlichen Adel deutscher Nation<
des gleichen Jahres ist es sein Wunsch, »das ein recht frey Concilium werde, wilch
niemandt so wol vormag als das weltlich schwert.«30
Bucer legt seinen Ausführungen über das Konzil sein Verständnis von der
Kirche zugrunde31. Sie ist, soweit sie äußerlich alle Getauften, die sich zu ihr
halten, umfaßt, nicht die wahre Kirche, die wirkliche Gemeinschaft Christi. Zu
dieser gehören vielmehr nur die, die einen »satten verstand Christi«32, den »waren
und thettigen glauben«33 haben; und sie, nicht der Papst mit seinen Bischöfen,
verkörpern als die vielen Glieder an einem Leib die Kirche. Von hier aus er-
scheint nun das geistliche Amt in neuem Licht, das nicht als Regiment über die
Kirche mißverstanden werden darf, wie es seit Jahrhunderten geschieht, sondern
als Hirtendienst in göttlichem Auftrag gesehen werden muß: »aller gewalt, den
die geystlichen immer haben mögen, mus nur zu gutem christlicher gemein ge-
geben und zu gebrauchen sein, das ist, zu irem uffbawen, das teglich mehr zu
Christo zogen werden, und die zu im zogen seind, in allem christlichen thun
dapffer furtfaren und zunemmen.«34 Die vornehmste Aufgabe der Geistlichen ist
die Wortverkündigung; in ihr und in der Verwaltung der Schlüssel sind sie nicht
mehr als Gottes Werkzeuge, »die in irem dienst nichs thund, der Herr bewege
und brauche sie dann.«35
27. Zur theologischen Motivierung der Unionsbestrebungen B.s vgl. H.Bornkamm: Martin
Bucers Bedeutung für die europäische Reformationsgeschichte. SVRG169. 1952. S.28f.; vgl.
Stupperich, Der Humanismus, S. 36f.
28. Vgl. WA Br6, S.483, Z.4-487,Z. 69.
29. Vgl. WA 7, S. 83-90.
30. WA 6, S.413, Z. 29-30; als Vorbild dienen Luther dabei die vom Kaiser einberufenen
Konzilien der Alten Kirche, besonders das erste zu Nizäa.
31. Vgl. dazu R.Stupperich: Die Kirche in Martin Bucers theologischer Entwicklung. ARG35.
1938. S.86-90.
32. Bl. C 2b, S. 285.
33. Bl. E 1 a, S. 294.
34. Bl. E 4a, S. 298.
35. Bl. F 4bf. S. 305 f.
IM KAMPF UM DEN RECHTEN GLAUBEN
auf das zu erwartende Konzil. In ihr zeigt Bucer deutlich an, worauf man bei
einem Religionsgespräch zu achten hat und in welcher Weise eine Einigung in
Glaubensfragen erreicht werden kann27. Dementsprechend greift er zur äußeren
Form des Dialogs und trägt in der Gestalt des Gothertz seine eigene Meinung vor
im Gespräch mit dem Vertreter des alten Glaubens, Gotprächt.
Bucers Anschauungen vom Konzil sind im wesentlichen die der evangelischen
Stände in ihrer auf die Wittenberger, besonders Luther, zurückgehenden Stellung-
nahme vom 30. Juni 1533. Luther lehnt in seinen beiden Bedenken das vom Papst
angekündigte Konzil ab, weil es wie die vorangegangenen unter dessen eigener
Leitung stattfinden soll und deshalb nicht das vom Kaiser versprochene, freie,
christliche Konzil sein kann, dessen Beschlüssen sich auch der Papst zu unter-
werfen hat28. Das sind die gleichen Gedanken, die Luther schon in seiner zweiten
>Appellation odder beruffung an eyn Christlich frey Concilium< 1520 hat laut
werden lassen29, und in seiner Schrift >An den Christlichen Adel deutscher Nation<
des gleichen Jahres ist es sein Wunsch, »das ein recht frey Concilium werde, wilch
niemandt so wol vormag als das weltlich schwert.«30
Bucer legt seinen Ausführungen über das Konzil sein Verständnis von der
Kirche zugrunde31. Sie ist, soweit sie äußerlich alle Getauften, die sich zu ihr
halten, umfaßt, nicht die wahre Kirche, die wirkliche Gemeinschaft Christi. Zu
dieser gehören vielmehr nur die, die einen »satten verstand Christi«32, den »waren
und thettigen glauben«33 haben; und sie, nicht der Papst mit seinen Bischöfen,
verkörpern als die vielen Glieder an einem Leib die Kirche. Von hier aus er-
scheint nun das geistliche Amt in neuem Licht, das nicht als Regiment über die
Kirche mißverstanden werden darf, wie es seit Jahrhunderten geschieht, sondern
als Hirtendienst in göttlichem Auftrag gesehen werden muß: »aller gewalt, den
die geystlichen immer haben mögen, mus nur zu gutem christlicher gemein ge-
geben und zu gebrauchen sein, das ist, zu irem uffbawen, das teglich mehr zu
Christo zogen werden, und die zu im zogen seind, in allem christlichen thun
dapffer furtfaren und zunemmen.«34 Die vornehmste Aufgabe der Geistlichen ist
die Wortverkündigung; in ihr und in der Verwaltung der Schlüssel sind sie nicht
mehr als Gottes Werkzeuge, »die in irem dienst nichs thund, der Herr bewege
und brauche sie dann.«35
27. Zur theologischen Motivierung der Unionsbestrebungen B.s vgl. H.Bornkamm: Martin
Bucers Bedeutung für die europäische Reformationsgeschichte. SVRG169. 1952. S.28f.; vgl.
Stupperich, Der Humanismus, S. 36f.
28. Vgl. WA Br6, S.483, Z.4-487,Z. 69.
29. Vgl. WA 7, S. 83-90.
30. WA 6, S.413, Z. 29-30; als Vorbild dienen Luther dabei die vom Kaiser einberufenen
Konzilien der Alten Kirche, besonders das erste zu Nizäa.
31. Vgl. dazu R.Stupperich: Die Kirche in Martin Bucers theologischer Entwicklung. ARG35.
1938. S.86-90.
32. Bl. C 2b, S. 285.
33. Bl. E 1 a, S. 294.
34. Bl. E 4a, S. 298.
35. Bl. F 4bf. S. 305 f.