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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 5): Strassburg und Münster im Kampf um den rechten Glauben, 1532 - 1534 — Gütersloh, 1978

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https://doi.org/10.11588/diglit.29142#0352
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IM KAMPF UM DEN RECHTEN GLAUBEN

gebot Innocentii, dann alle sünd beichten ist nit möglich, ist auch nit allweg bes-
serlich, wie auch das der mensch dem priester allein beichten solle; was schwerer
ergernüs ist allein hieraus kommen und kommet täglich, da so gar ungotßforch-
tige beichtvätter zu beicht sitzen?
Gotp.x: Konde man dis beichten aber nit auch wol gebrauchen und besserlich
anrichten?
Goth.: Ja, wann es erstlich auß warer rew und hertzlicher begird zu warem
Evangelischem raht und trost und demnach714 sollichen beicht vätteren geschehe,
die sollichen raht und trost geben könden. Wir mögen die leut hiezu noch zu
einigem guten werck des gewissens nit zwingen.
Gotp.: Man kan uberal zu keinem guten zwingen, man solte aber, die es nit
thun | N 3 a | wolten, nut fur christen halten, dann wer die kirch verachtet, der ver-
achtet Christum selb, solle uns sein wie ein heyd und publican715.
Goth.: Bedenck, bruder, das wir uns vor verglichen haben, das zweyerley ord-
nungen der kirchen seind, etliche, on die der glaub an Christum nit bestehn mag,
etliche aber, on die er wol bestehn mage. So nun diß heimlich beichten der Herr
nirget gebotten hatt, die Apostel mit einem wort nit geleret, die erste kirch auch
gar nichts darumb gewisset, die kirch zu Constantinopel einmal wider abgestel-
let716, und sie aber bey uns so schwere ergernüß angerichtet hat in vil weg, wißen
wir warlich mit keiner besserung der kirchen so hoch auff die heimliche beycht
zu dringen, die der heylig Chrysostomus allenthalb schreibet, von Gott nit er-
forderet werden717.Und mit namen718 könden wir nieman, der soliche beicht
nicht thun will, sunst aber christlich lebet, darumb die gemeinschafft Christi ab-
sprechen, wie sollen die diener herter sein dann der Herr selb719? Dann wir ja nit
sehen, das soliche heymliche beycht auß dem glauben und der liebe also notwen-
diger volge herkomme, das man on siey nit auch zu unseren zeiten Christen sein
möge.
Gotp.: Du bekennest, das die Römisch kirch sie alweg fürnem720gewesen, die-
selbige hat nun die beicht von altem her gehalten, als du das lisest lib. Tripartitae
historiae 9,cap25721, solte das bey euch nit auch etwas vermöcht haben?
x) Goth. - y) sey.
714. Dementsprechend. 715. Vgl.Mt 18,17.
716. Patriarch Nectarius von Konstantinopel (381—397), der Vorgänger des Joh. Chrysostomus,
schaffte den Poenitentiarius und die öffentliche Beichte ab und stellte damit das private Beichten
in das Ermessen des einzelnen. Der Grund dafür war die Empörung, die das Bekanntwerden des
Fehltritts eines Diakons ausgelöst hatte; vgl. Caspari in: RE 2, S. 533; G.Rauschen: Grundriß der
Patrologie. 6. und 7.Aufl. Freiburg i.Br. 1921. S. 188f.
717. Die Stellung des Joh.Chrysostomus zur Ohrenbeichte ist strittig; vgl.Bibliothek der
Kirchenväter 24,I. München 1915, Einleitung von P.J.C.Baur, S.XLVII. Jedenfalls hat er sie
nirgendwo ausdrücklich gefordert; vgl. Rauschen, Patrologie, S. 189; B. A.ltaner/A. Stuiber:
Patrologie. 7. völlig neubearbeitete Aufl. Freiburg, Basel, Wien 1966. S. 329-330.
718. Namentlich.
719. Vgl.Mt 18,32f.
720. Von besonderer Bedeutung.
721. Gemeint ist wohl die Geschichte von Kaiser Theodosius’I. Exkommunikation, Buße und

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