FURBEREYTUNG ZUM CONCILIO
349
Goth.: Lieber Gotprecht, ja eben diß ort besiche722 mit fleiß, wo hat man yetz
denn büssenden, also723 einen besonderen priester, der gutes wandels und ver-
schwigen ist, gesetzet, dem dieselbigen ire sund in gegenwertigkeit der kirchen
beichten, wo haben sie ir besonder ort in der kirchen, da sie die zeit irer buß
5 under724dem nachtmal des herren zum schawspil der gantzen gemein stehn, ire
sünd da offentlich beweinende und umb gnad bittend, zu denen dann der bischoff
selb komme, zu inen uff | N 3 b | die erden falle und mit bette, siez dann wider auff-
richte, ein gemein gebett für sie thue und die zeyt bestimme, das sie zum tisch des
Herren gangen, und also gar dem Herren wider versüne. Dazwischen sie sich mit
10 allerley ernst und abbrechen725demütigen. Also ist diser brauch, bey den alten zu
Rom gehalten, des orts beschriben. Nun, wer weißt aber jetz etwas meer hievon
zu sagen? So ir dann selb leider das best und den kernen an disem brauch, das ist,
ubung warer buß, lengest gar habt fallen lassen, die leut nur quelet mit erzwung-
nem sünd erzelen, verfüret mit falschem vertrösten auff diß werck, damitt sie ver-
15 meinen, bey Got etwas außzurichten, was köndt ir uns verweyßen726, so man doch
bey uns in disem allen nur das verworffen hat, das wider den glauben Christi
lichtet, leret und ermanet zu allem, das besserlich sein mage, allein könden wir
dazu nit zwingen, das nur schädlich sein, nit allein nit nutzen mag, wo mans nicht
mit selb willigem hertzen thut?
20 727Gotp.: Wo bleibt aber dieweil bey euch der brauch der schlüßlen?
728Goth.: Deren brauch ist fürnemlich in einnemmen und außschliessen in die
und von der kirchen, das im tauff und christlichem bann geschicht, wie vor er-
wisen. Nun, dise beyde ston, Got sey lob, gar vil besser bey uns dann bey euch,
da man dem volck weder tauff oder bann recht erkleret. Doch hab ich vor be-
25 kennet, der christlichen zucht und bannens halb ist noch leider nit wenig mangels
auch bey uns729. So söllen die schäfflin Christi ir gewissen und christliches lebens
halb mit iren hirten, und die hirten mit inen, auch weit meer im Herren kundt-
schafft730 und handlung haben. Die predig des Evangeli tregt verzeyhung der
z) sey.
Wiederaufnahme in die Kirche durch Ambrosius. In: Historia ecclesiastica tripartita 9,30; CSEL
71, S. 541-544.
722. Besieh.
723. Ebenso.
724. Während.
725. Enthaltsamkeit.
726. Rügen.
727. Aug[ustin], de verbis Domini Super Matth. Ser[mo]. xvi. [Marg.]. - Augustins Ausführungen
zum Amt der Schlüssel, Mt 16, finden sich in den Sermones 149 und 295 : In Petrus ist die Schlüs-
selgewalt der ganzen Kirche gegeben. Erst erweckt Christus zum Leben, darauf löst die Kirche.
Die Gelösten sollen sich davor hüten, gebunden zu werden, die Gebundenen beten, daß sie gelöst
werden; MSL 38, Sp. 802 und 1349.
728. Beda in Lucam. lib. V. capitel xviii. [Marg.]. - CChr ser.lat. 120, S. 321-333. Hier jedoch
findet sich nichts über die Schlüsselgewalt. Möglicherweise meint B. die Ausführungen über
Binden und Lösen zu Lk 17,3f. im Kapitel17 CChr ser.lat.120, S.308-309.
729. Vgl. Anm. 298. 730. Erkenntnis.
349
Goth.: Lieber Gotprecht, ja eben diß ort besiche722 mit fleiß, wo hat man yetz
denn büssenden, also723 einen besonderen priester, der gutes wandels und ver-
schwigen ist, gesetzet, dem dieselbigen ire sund in gegenwertigkeit der kirchen
beichten, wo haben sie ir besonder ort in der kirchen, da sie die zeit irer buß
5 under724dem nachtmal des herren zum schawspil der gantzen gemein stehn, ire
sünd da offentlich beweinende und umb gnad bittend, zu denen dann der bischoff
selb komme, zu inen uff | N 3 b | die erden falle und mit bette, siez dann wider auff-
richte, ein gemein gebett für sie thue und die zeyt bestimme, das sie zum tisch des
Herren gangen, und also gar dem Herren wider versüne. Dazwischen sie sich mit
10 allerley ernst und abbrechen725demütigen. Also ist diser brauch, bey den alten zu
Rom gehalten, des orts beschriben. Nun, wer weißt aber jetz etwas meer hievon
zu sagen? So ir dann selb leider das best und den kernen an disem brauch, das ist,
ubung warer buß, lengest gar habt fallen lassen, die leut nur quelet mit erzwung-
nem sünd erzelen, verfüret mit falschem vertrösten auff diß werck, damitt sie ver-
15 meinen, bey Got etwas außzurichten, was köndt ir uns verweyßen726, so man doch
bey uns in disem allen nur das verworffen hat, das wider den glauben Christi
lichtet, leret und ermanet zu allem, das besserlich sein mage, allein könden wir
dazu nit zwingen, das nur schädlich sein, nit allein nit nutzen mag, wo mans nicht
mit selb willigem hertzen thut?
20 727Gotp.: Wo bleibt aber dieweil bey euch der brauch der schlüßlen?
728Goth.: Deren brauch ist fürnemlich in einnemmen und außschliessen in die
und von der kirchen, das im tauff und christlichem bann geschicht, wie vor er-
wisen. Nun, dise beyde ston, Got sey lob, gar vil besser bey uns dann bey euch,
da man dem volck weder tauff oder bann recht erkleret. Doch hab ich vor be-
25 kennet, der christlichen zucht und bannens halb ist noch leider nit wenig mangels
auch bey uns729. So söllen die schäfflin Christi ir gewissen und christliches lebens
halb mit iren hirten, und die hirten mit inen, auch weit meer im Herren kundt-
schafft730 und handlung haben. Die predig des Evangeli tregt verzeyhung der
z) sey.
Wiederaufnahme in die Kirche durch Ambrosius. In: Historia ecclesiastica tripartita 9,30; CSEL
71, S. 541-544.
722. Besieh.
723. Ebenso.
724. Während.
725. Enthaltsamkeit.
726. Rügen.
727. Aug[ustin], de verbis Domini Super Matth. Ser[mo]. xvi. [Marg.]. - Augustins Ausführungen
zum Amt der Schlüssel, Mt 16, finden sich in den Sermones 149 und 295 : In Petrus ist die Schlüs-
selgewalt der ganzen Kirche gegeben. Erst erweckt Christus zum Leben, darauf löst die Kirche.
Die Gelösten sollen sich davor hüten, gebunden zu werden, die Gebundenen beten, daß sie gelöst
werden; MSL 38, Sp. 802 und 1349.
728. Beda in Lucam. lib. V. capitel xviii. [Marg.]. - CChr ser.lat. 120, S. 321-333. Hier jedoch
findet sich nichts über die Schlüsselgewalt. Möglicherweise meint B. die Ausführungen über
Binden und Lösen zu Lk 17,3f. im Kapitel17 CChr ser.lat.120, S.308-309.
729. Vgl. Anm. 298. 730. Erkenntnis.