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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 6,2): Zum Ius reformationis: Obrigkeitsschriften aus dem Jahre 1535 ... — Gütersloh, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.29832#0127
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DIALOGI

I23

aufrurende leüt strengklich straffe, doch die daran schuldig waren, künde ich nit
unbillichen. Was wolte er aber die armen kinder und das vich zeyhen? Was solte er die
güten hewser und habe, die man noch wol besser brauchen künde, also verbrennen?
Frid: So wiltu doch ye weyser und gerechter sein dann Got selb. Sinnp: Nayn. Frid:
Nun, duncket dich doch ymmer noch abschewlich, das Got haisset. Dich erbarmet ye
der kinder, dich rewet das vich und die habe, welches Gott alles haisset hinrichten.
Hart: Ists nit alles umbs menschen willen geschaffen? Müß nit die gantze creatur mit
uns erseüftzen nach der unzerstorlichait und der zerstorlichait, dieweil underworffen
sein wider iren willen, Ro. 8 [19 — 23]? Solte j N 3a j dann Gott nit recht thün, das er
seine verächter auch an irem vich und güt straffet? So seind die kinder vorhin zum tod
geboren, ob dann Gott die gottlosen elteren auch an denselbigen straffet, wem thüt er
daran unrecht?
Sinnp: Ich widersprich dem nit. Noch ist dennocht ymmer ain anders in der zeyt des
Christenthumbs. Den Juden und nit uns seind dise strenge gebott gegeben. Frid: Ist
wahr. Dise gebot seind uns Hayden nit gegeben, binden uns auch nit weyters, dann
deren haltung auch uns zur besserung dienstlich befunden wirdt. Sag mir aber, mein
Sinnprecht, sollen die obren yetz in der zeyt des Evangelii das übel auch mit dem
schwerdt straffen? Sinnp: Darumb hat Gott der oberkait das schwert gegeben. Frid:
Was übels soll aber die oberkait mit dem schwert straffen? Sinnp: Das gemaine poli-
cey480 zerrüttet. Frid: Zerrüttet? Warin zerrüttet? Sinnp: Am zeytlichen fryden. Frid:
Es stande umb den Gotsdienst wie es wolle?
Sinnp: Das sag ich nit. Hart: Wievil seind iren aber, die es sagen? Frid: Die seind
freylich von den newen Saduceeren481 oder denen rotten, die damit ire verdienete straf
gern abwenden wolten.
Sinnp: Ich gib zü, das die oberkait auch falsche leer und falschen Gotsdienst zü
straffen habe, wenn dadurch gemainer frid und güte ordnung burgerlichs lebens wolte
zerstoret werden. Frid: Mein Sinnprecht, dieweyl ye kain güte Policey sein mage, wa
man nit vor allem auf Gott gewisen wirt mitt worten und wercken, so werden zwar alle
falsche leere und Gottesdienst güte Policey zerrütten. Hart: Aygentlich482. Dann wie
frummen Gotsforchtigen leüten ye nichts mag hohers angelegen sein dann ware
Christliche leer und rechter Gotsdienst, also wirt inen auch nichts unleidlichers sein
dann falsche leer und falscher Gotsdienst. Derohalb, wann die alte erbarkait483 bey den
Hayden wolte in streyten zum hochsten ernst ermanen, sagten sy: Gedencket, das wir
yetz für unsere Altär und herdstet — Pro aris et focis — das ist, für die Religion und unser
heüßlich leben streytten484. Frid: Es fechten auch die verworffenen für kain ding auff
erden so hefftig als für iren falschen Gottes- [N 3 b] j dienst, wie wir das auch zü
unseren zeyten erfaren. Derhalb in der warhait die allergefärlichste spaltung und
parteyen da erhalten und zü gewissem verderben an seel und leib erneeret werden, da

480. Die öffentliche Sicherheit, allgemeine Rechtsordnung.
481. s. oben, Einleitung, S. 43, Anm. 13 und oben, S. 50h, Anm. 13.14.
482. Genau.
483. Anrede für die weltlichen Oberen.
484. Pro aris et focis certare. Vgl. Georges 1, Sp. 495 f (s. v. ara).
 
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