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OBRIGKEITSSCHRIFTEN
man widerwertige leer und Kirchenubungen, das ist, zwispalt in der Religion, gedul-
det.
Aber mein Sinnprecht, achtest du das auch Christlich, wa unsere oberen, was sv der
Religion halb wol ordnen und schaffen wolten, in demselbigen allain auf den leiplichen
und weltlichen friden, der auch mit dem Türcken kan gehalten werden, sehen und dcii 5
ir end sem lassen 485 ? Solle nit ain yeder Christ in allen seinem thün und lassen dahin
sehen, umb das wir vor allem betten, das Gottes nam gehailiget 486 und sein reych
ymmer erweytert werde? Sinnp: Ja, der schüchmacher und schneyder solle auch in
seinem schüch und klaider machen auf hailigung gotlichs namens und fürderung des
reichs Christi sehen. Dennocht ist sein nächst end, das der schüch und die klaider den 10
leüten, die seyen bose oder güt, füglich zu tragen seyen 487 . Also sollen die obren für ire
person als Christen wol vor allem auff Gott sehen, aber des ampts halb der oberkait ist
ir bevelch zu sehen, das ire gmaine fridlich mitainander lebe, es seyen die leüt dann
glaubig oder ungläubig.
Frid: So haltestu eüsserlich regieren nur wie ain leiblichen dienst, als da ist schüch 15
und klaider machen, und dürffen die obren allain ires ampts nit weyter dann dahin
sehen, das ire underthonen züfriden mitainander seyen? Hart: Wie die rauber und
morder und alle gemainen 488 , auch der ergsten leüt, sehen, das sy im friden beyainander
bleiben und ir arges desto lenger und rüwiger treiben mügen? Sinnp: Nain. Ich main
ain solchen friden, da kainer dem andern oder auch den fremden unrecht thü. Frid: 20
Nämlich an zeitlichem güt und ehren.
Sinnp: Ja. Frid: Wann schon ainer den anderen durch falsche leer und leben umb das
himelreych bringet, das sollen die obren für kain unrecht achten und es lassen fürgehn?
Item, das man Got, unserem schopfer selb, unrecht thüt, den lesteret und schmähet, im
seine theüre geschopff und lieben kinder, für die er seinen Sun in tod gegeben hatt, 25
raubet und zum Teüfel füret j [N 4 a] | in ewigs verderben, desselbigen dorffen sich die
obren nicht annemen?
Sinnp: Ey, wa die obren sollichs args fürkommen mogen oder abtreiben, da sollen sy
das auch wie andere Christen mit Christlicher ermanung und gebett thün. Frid: Und nit
mit dem schwert? Sinnp: Das schwerdt ist eüsserlich und zwinget, so ist das reich 30
Christi innerlich im glauben und der selbwilligen 489 , darumb soll das schwert sehen
auff den eüsseren friden 490 . Frid: Von art und aigenschafft des reichs Christi und dem
zwang wollen wir hernacher red haben. Yetzund laß uns darauf bleiben, was doch der
zweck und end sein solle der regierung, warauf sy fürnämlich sehen solle. Mein Sinn-
precht, Du bringest da einher das werck der schüchmacher und schneider. Ist dir das 35
werck der regierung nicht hoher? Dise haben zu machen, das man am leib brauchet; so
485. Es dabei bewenden lassen.
486. Vgl. Mt 6,9.
487. Der Ursprung dieses Vergleichs dürfte in Luthers Schrift »Von weltlicher Oberkeit«
(WA 11, S. 258, Z. 3-8) zu finden sein. In B.s Debatte mit Anton Engelbrecht (1533) begegnet
er ebenfalls. Vgl. BDS 5, S. 487, Z. 24f.
488. Hier herablassend, im negativen Sinne gemeint.
489. Und zwar bei denen, die aus freiem Willen glauben.
490. Vgl. dazu »Vom Ampt der oberkait«, S. 29, Anm. 28.
OBRIGKEITSSCHRIFTEN
man widerwertige leer und Kirchenubungen, das ist, zwispalt in der Religion, gedul-
det.
Aber mein Sinnprecht, achtest du das auch Christlich, wa unsere oberen, was sv der
Religion halb wol ordnen und schaffen wolten, in demselbigen allain auf den leiplichen
und weltlichen friden, der auch mit dem Türcken kan gehalten werden, sehen und dcii 5
ir end sem lassen 485 ? Solle nit ain yeder Christ in allen seinem thün und lassen dahin
sehen, umb das wir vor allem betten, das Gottes nam gehailiget 486 und sein reych
ymmer erweytert werde? Sinnp: Ja, der schüchmacher und schneyder solle auch in
seinem schüch und klaider machen auf hailigung gotlichs namens und fürderung des
reichs Christi sehen. Dennocht ist sein nächst end, das der schüch und die klaider den 10
leüten, die seyen bose oder güt, füglich zu tragen seyen 487 . Also sollen die obren für ire
person als Christen wol vor allem auff Gott sehen, aber des ampts halb der oberkait ist
ir bevelch zu sehen, das ire gmaine fridlich mitainander lebe, es seyen die leüt dann
glaubig oder ungläubig.
Frid: So haltestu eüsserlich regieren nur wie ain leiblichen dienst, als da ist schüch 15
und klaider machen, und dürffen die obren allain ires ampts nit weyter dann dahin
sehen, das ire underthonen züfriden mitainander seyen? Hart: Wie die rauber und
morder und alle gemainen 488 , auch der ergsten leüt, sehen, das sy im friden beyainander
bleiben und ir arges desto lenger und rüwiger treiben mügen? Sinnp: Nain. Ich main
ain solchen friden, da kainer dem andern oder auch den fremden unrecht thü. Frid: 20
Nämlich an zeitlichem güt und ehren.
Sinnp: Ja. Frid: Wann schon ainer den anderen durch falsche leer und leben umb das
himelreych bringet, das sollen die obren für kain unrecht achten und es lassen fürgehn?
Item, das man Got, unserem schopfer selb, unrecht thüt, den lesteret und schmähet, im
seine theüre geschopff und lieben kinder, für die er seinen Sun in tod gegeben hatt, 25
raubet und zum Teüfel füret j [N 4 a] | in ewigs verderben, desselbigen dorffen sich die
obren nicht annemen?
Sinnp: Ey, wa die obren sollichs args fürkommen mogen oder abtreiben, da sollen sy
das auch wie andere Christen mit Christlicher ermanung und gebett thün. Frid: Und nit
mit dem schwert? Sinnp: Das schwerdt ist eüsserlich und zwinget, so ist das reich 30
Christi innerlich im glauben und der selbwilligen 489 , darumb soll das schwert sehen
auff den eüsseren friden 490 . Frid: Von art und aigenschafft des reichs Christi und dem
zwang wollen wir hernacher red haben. Yetzund laß uns darauf bleiben, was doch der
zweck und end sein solle der regierung, warauf sy fürnämlich sehen solle. Mein Sinn-
precht, Du bringest da einher das werck der schüchmacher und schneider. Ist dir das 35
werck der regierung nicht hoher? Dise haben zu machen, das man am leib brauchet; so
485. Es dabei bewenden lassen.
486. Vgl. Mt 6,9.
487. Der Ursprung dieses Vergleichs dürfte in Luthers Schrift »Von weltlicher Oberkeit«
(WA 11, S. 258, Z. 3-8) zu finden sein. In B.s Debatte mit Anton Engelbrecht (1533) begegnet
er ebenfalls. Vgl. BDS 5, S. 487, Z. 24f.
488. Hier herablassend, im negativen Sinne gemeint.
489. Und zwar bei denen, die aus freiem Willen glauben.
490. Vgl. dazu »Vom Ampt der oberkait«, S. 29, Anm. 28.