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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 6,2): Zum Ius reformationis: Obrigkeitsschriften aus dem Jahre 1535 ... — Gütersloh, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.29832#0064
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6o

OBRIGKEITSSCHRIFTEN

den, und bedencken, so wir überwinden, das wir für uns erst bleiben, die wir vorhin
waren; so wir aber überwunden werden, das wir lernen, das wir nit wüsten, und also an
der erkanntnuß der warhait ymmer reycher werden.
Sinnp: Wäre wol ain gute mainung, wenn ainer auch etwan erkennen kündte, das er
überwunden wäre und nit wollte mehr überwunden haben dann überwunden sein,
wenn er schon in der warhait überwunden ist. Frid: Nun, mein Sinnprecht, wie nun
mehrmal gesagt ist, Gott wollen wir für und für umb sein gnad und gaist anruffen, uns
drauff vor allem zanck fleissig verhuten, auffainander getrewlich losen63 und allweg
vor wol erwegen, was das sey, so am ander redt, mtt so schnell sein demselbigen zu
widersprechen, so hoff ich, wir sollen leicht sehen, welcher die warhait für sich habe
und überwinde oder irre und überwunden werde. Der Herr wirdt bey uns sein und uns
seines willens nit lassen verfehlen.

| [B_4b] | Das ander Gespräch. Das man in dem namen Religion Glauben und Got-
tesdienst verstehen solle, Und das solcher glaub und Gotsdienst die Kirchensamlungen
und -ubungen erforderet, auch in denselbigen zunymmet und wachset.
Dleweil euch dann baiden gefellig, das wir also gelassen und Christlich von disem
handel, was die oberkait mit der Religion zu thun habe, red haben, So deüchte mich nit
ungschickt sein, wa wir die sach auf dise ordnung fürnemen64: Das wir erstlich bese-
hen, was uns das wort Religion haissen solle. Darnach das wort oberkait und was
oberkaiten in diser frag gemaynet werden. Darnach achtet ich, solte dest leichter zu
verstehn werden, wieweit und auf was weiß die oberkait mit der religion zu thun habe.
Sinnp: Dise ordnung gefallet mir nit übel.
65Frid: Wolan, was verstastu dann in dem wort Religion? Sinnp: Den glauben und
waren gotsdienst, der im hertzen stehn muß. Hart: Hatt aber der ware gotsdienst nitt
auch sein aussere leere, ermanung und ubung in den ausseren predigen und Ceremo-
nien? Frid: Beyt66, mein Hartmut, gedenck, was wir uns hievor vermanet haben, das
kainer ab67 der warhait scheühen solle oder dem andren wöllen fürlauffen. Sinnprecht
hatt recht geredt, das wörtlin Religion hayßt bey den Lateinischen aygentlich das, das
wir zu teütsch Gottesdienst nennen, da der mensch gantz embsig und mitt höchstem
fleiß die ding bedencket und betrachtet, id est Relegit, die zum gotesdienst gehören.
Also redt Cicero darvon, lib[ro] de natura deorum secundo68. Darumb hat Sinnprecht
in seiner red noch nichts gesagt, das nit war seye, obwol, so man wolte gründtlich und
63. Horchen.
64. Ordnung diser disputation. [Marg.].
65. Die Religion haißt glaub undgotsdienst. [Marg.].
66. Warte.
67. Vor.
68. Cicero: De natura deorum 2,28. Seit Pico della Mirandola (Opera, Tomus II) gilt Cicero als
christianus. Luther hat sich oft lobend über Cicero ausgesprochen und meinte, daß dieser »im
Paradies« sei (WA 58, 1, S. 90h 199f£). -- Die Ableitung der Religion von relegit ist etymolo-
gisch falsch. Vgl. dazu K. E. Georges 2, Sp. 2ojoff. (s. v. religio) von religo = rücksichtlich
beachten (Sp. 2054). B. definiert die Religion mit Cicero: »cura ceremoniaque naturae superioris«
(De natura deorum 2,28). Vgl. Einleitung, S. 44.
 
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