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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 6,2): Zum Ius reformationis: Obrigkeitsschriften aus dem Jahre 1535 ... — Gütersloh, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.29832#0045
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Einleitung
i. Der historische Rahmen

Die bereits in Bucers Vorwort zu der Schrift »Vom Ampt der oberkait«1 angekündig-
ten »Dialogi« erschienen am 17. Mai 1535 mit einer Widmung an den Rat der Stadt
Augsburg. Formal ist die Schrift in der damals beliebten Form des Dialogs abgefaßt.
Es scheint aber, daß Bucers Anschauungen beim Augsburger Rat zunächst keine
praktischen Folgen hatten. Der Rat hatte eine Annäherung an Luther vollzogen, um
sich damit zugleich von dem politisch gefährlichen Verdacht zu reinigen, er begünstige
zwinglische Lehre. Er erbat sich daher von Wittenberg einen Prediger, der in der
Person Johann Forsters2, einem gebürtigen Augsburger, im August 1535 entsandt
wurde. Forster geriet bald mit den zwinglisch gesinnten Predigern in Streit, vor allem
über das Abendmahl, aber auch in den Fragen der Kirchenreform. In seinen Predigten
lehnte er im Sinne Luthers ein radikales Vorgehen ab und wandte sich in einer Streit-
schrift unter Hinweis auf die Katastrophe der Täufer in Münster gegen die Vermi-
schung von »predigtamt und rathaus«3. Mit dieser Auffassung stand er aber nicht nur
im Gegensatz zu den übrigen Augsburger Predigern, sondern auch zu Bucer. Dieser
legte am 13. April 1536 dem Augsburger Pfarrkonvent eine Schrift vor, in der im
Namen aller Prediger die völlige Durchführung der Reform durch den Rat gefordert
wurde4. Forster verweigerte seine Zustimmung und riet zur Vorsicht. Er bestritt, im
Gegensatz zu Bucer, daß der Augsburger Rat das »merum imperium« und das »jus
patronatus« besitze5. Seine ablehnende Haltung begründete er gleichfalls in einer an
den Rat gerichteten Schrift.
Bei den Verhandlungen über die Wittenberger Konkordie (1536) wurde an den
letzten beiden Tagen (26-/27. Mai) die Frage nach dem Verhältnis von Obrigkeit und
Kirche mit besonderem Eingehen auf die Augsburger Gegebenheiten erörtert. Luther
warnte vor einem gewaltsamen Vorgehen in der Frage der Kirchenreform und wies

1. Zu der Schrift >Vom Ampt der oberkait< und ihrem historischen Hintergrund vgl. oben,
S. 19ff. 29.
2. Vgl. F. Roth, Augsburgs Reformationsgeschichte 2, S. 25 2 ff.
3. W. Hans, Gutachten, S. 51 ff.
4. W. Germann, Johann Forster, der Hennebergische Reformator, ein Mitarbeiter und
Mitstreiter D. Martin Luthers. In urkundlichen Nachrichten nebst Urkunden zur Hennebergi-
schen Kirchengeschichte. In: Neue Beiträge zur Geschichte deutschen Altertums 12. Meiningen
1894. S. 131 ff.
5. B.s Auffassung, die potestas inferior besitze das »merum imperium«, prägt seine Obrig-
keitslehre in besonderem Maße. Vgl. hierzu M. de Kroon: Studien zu Martin Bucers Obrigkeits-
verständnis. Evangelisches Ethos und politisches Engagement. Gütersloh 1984. Bes. S. 88 — 90.
Bei der Auslegung von Ro 13,1—7 in seinem Römerbriefkommentar (Bibl. Nr. 55, 5.498b)
beruft er sich zur Erklärung dieses juristischen Begriffes auf Alciat. Vgl. A. Alciat: De ver-
borum significatione. Libri IV. Lyon 1572. Alciat grenzt das »merum imperium«, die höchste
Jurisdiktionsgewalt, von dem »imperium mixtum« und von der »simplex iurisdictio« ab. »Me-
rum igitur imperium in inquisitionibus, accusationibusve consistit; mixtum persecutionibus;
simplex iurisdictio, actionibus« (a.a.O., S. 512—514). Vgl. oben »Vom Ampt der oberkait«,
S. 30, Anm. 34. Zum Begriff des »jus patronatus« vgl. RGG 5, Sp. 156—159 (s. v. Patronat).
 
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