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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 6,2): Zum Ius reformationis: Obrigkeitsschriften aus dem Jahre 1535 ... — Gütersloh, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.29832#0117
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DIALOGI

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Das sibend Gesprach. Ob die Oberkaiten, die das Schwert tragen, mit irem ampt auch
die Religion und den Gottesdienst zü versehen und zü verwalten haben.
FRidlieb: Wolan, lieben brüder, wir haben nun gesetzet, das man in dieser frage allweg
die Oberkaiten verstehn solle, die an yedem ort in anstellung und regierung des lebens
5 und der sitten über die gemain den obersten gewalt haben, weichen obren dann die
genandten gaistlichen auch sollen underthanig und gehorsam sein, unangesehen ire
gaistlichait, ainig freyhait oder recht, das ymmer hat auffkommen mogen. Sinnp: Ich
hab das wol vernommen. Frid: Nun, so wollen wir zur sachen greyffen auffs allerkürt-
zest. Warin achtest du, mein Sinnprecht, daß das ampt und thün der oberkait zum
io fürnämsten stande? 406 Sinnp: Wie die rechten Philosophi das dargeben, in disen zwaien
stucken: ordenen und straffen. Frid: Ja, dann mit güten gesetzen sollen die obren das
güt fürgeben und zü demselbigen anfüren und mit straffen das boß abschewlich
machen und darvon abschrecken. Auß disem volget dann, so man fraget, ob die
oberkaiten auch ir ampt an der Religion zu brauchen haben, das es die mainung ist, Ob
15 die oberkaiten, die das schwerdt tragen, auch der Religion und Gottesdiensts halb
etwas zü gebieten und zü setzen haben und wa an dem mißhandlet, dasselbig mit der
straff abzutreyben und gewaltigklich hinzuthün. 407 Sinnp: Recht, den verstand hab ich
auch in diser fragen.
Frid: Wolan, Sinnprecht, du lisest täglich in Historien und anderen güten bücheren,
20 flndestu auch irgent, da das ampt der regierung beschriben wirt und die regiment
angesetzet, da j [L 4 b] | nicht zum fordersten von der religion gebott und ordnungen
gegeben und straff gesetzet werden? Sinnp: Plato, Aristoteles, Cicero und andere, die
von rechter regierung und gesetzen geschriben haben, geben ja allwegen den gesetzen
und ordnungen von der religion und Gottesdienst die erste stat 408 . Das seind aber
25 Haiden.
Frid: Waher mainstu aber, mein Sinnprecht, das disen leüten, die doch in schwären
irrthumben gelegen, solichs kommen seye, das sy es darfür gehalten haben, das man
kain rechte policey noch erbar geschickt leben erlangen moge, wa man nicht vor allem
den Gottesdienst und die religion in rechte, gemayne und ainhellige ordnung und
30 haltung bracht habe. 409 Sinnp: Ich waiß woi, das Ulpianus 410 die religion under die
ding zelet, die da seind »de Iure gentium«. Frid: Das ist von natürlichem rechten der
menschen, dann wie Cicero 411 und all gelerten bekennen, ist uns von natur angeboren,
das wir erkennen, das ain Got ist, den wolten wir dann gern uns genädig haben. Daher
kommet die forcht, achtung und dienst Gottes, das ist: Religio, i[d est] Cura cerimo-
35 niafque] naturae superioris, i[d est] Dei. Und wa die nicht ist, da mag kain recht
menschlich erber leben ymmer erlanget werden, aller glaub, trew und gerechtigkait

406. Gebietten und straffen ist das Ampt der obren. [Marg.].
407. Das die oberen die religion versehen sollen auß dem natürlichen rechten. [Marg.].
408. Plato: Nomoi X, 907^ — 910^; Aristoteles: Politikon, 1328b: 7tpä)Tov ttjv Ttspi to ■9-eöov
eiripisXstav, fjv xaXoöcnv tepaTeiav. Vgl. unten Anm. 411 und 412.
409. De iustic\ia] gen\tmm\ iure. [Marg.].
410. Corpus Iuris Civilis, Dig. I, 1.2. Vgl. oben S. 68, Anm. 109.
411. Cicero: De natura deorum, 2,28, § 72.
 
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