DIALOGI
I2 5
hat aber die oberkait zu versehen und zu schaffen, das man recht lebe, Das ist, in allem
menschlichem thun geschickt und ordenlich fare, nach aller zucht, erbarkait und
billichait. Das ist ettwas weiters dann sehen, das ainem die schuch oder hosen weder zu
groß noch zu klain seyen. Der oberkait ampt ist, das in der gmain yeder sein werck und
5 thun also richte und ube, das nyeman unrecht geschehe, alle tugent und gerechtigkait
bey den leüten gepflantzet werde und zuneme.
Wolan, es sey gleich wie du sagest, das die obren fürnamlich darauff sehen sollen, das
ire underthonen ain fridlich leben füren, freylich in dem forderst du, das die leüt
beyainander also wohnen, das sy weder inen selb durchainander noch anderen unrecht
10 thüen. Gelt, auff ain solchen friden wiltu, mein Sinnprecht, solle die oberkait sehen?
Sinnp: Ja, mein Fridlieb. Frid: Wolan, ists nun bey dir auch müglich, das die leüt also
fridlich beyainander leben, das sy weder sich selb durchainander noch andere irget in 491
belaidigen, wann sy nit zü allen tugenden und von allen lasteren gezogen werden?
Sinnp: Man wirt die leüt ja hart im rechten frid künden erhalten, wa sy wolten iren
15 bosen lüsten und begirden stattgeben und nicht zü aller zucht, erbarkait und billichait
genaigt sein. Frid: Ist aber j [N 4 b] | müglich, das die menschen on rechten Gots-
dienst zü ainiger waren tugenten ymmer kommen? Sinnp: Es haben offt vil bey den
Hayden dannocht sehr tugentreych gelebt. Frid: Ja, im schein und in etlichen stucken
der tugenden, durch die sy mehr rhüms und ehren verhofften. On allen zweifel, welche
20 ye in waren tugenden gelebt haben, die werden on waren Gottesdienst nitt gewesen
sein. Dann gedencke selb: Wie solte doch der mensch in warer zucht bey im selb und
billichait gegen dem nachsten wider sein aigen natur, die dann zü allem argen ymmer
treibet, bestehn und verharren, wenn er nichts nach Gott fraget, welches ewige Got-
hait und macht er doch in seinen so herrlichen wercken erkennen müß und bekennen,
25 das von Got alles kommet und wir in allen dingen zum fordersten auff in sehen sollen?
Freylich, wer gegen seinem schopffer und Got ungerecht ist, den verachtet, zü im sein
hertz nicht richtet, der wirt kaine warhait noch tugent für sich selb ymmer mehr lieben
mügen.
Sinnp: Es sicht im dennocht gleich. Frid: Ey, darumb, mein Sinnprecht, müstu es
30 also rechnen und richten: Die regierung sollen sehen, das ire underthonen recht und
wol leben, das mag nun nit sein, wa sy nicht vor allem zum waren Gotsdienst gezogen
werden. An dem hangen alle tugenten, auch alles glück und hayl. Denen, die das reych
und die gerechtigkait Gottes süchen, wirt alles güts selb züfallen 492 , sagt Christus, der
Herre. Darumb müssen die Gottsaligen obren die Religion nit als ain mittel zum
3; eüsserlichen friden brauchen wie die Gotlosen tyrannen thünd, sonder die Religion
selb lassen ir end sein, darumb sy alles thün und anrichten, das bey den iren durch ir
ampt der regierung der nam Gottes als mehr gehailiget und sein reych mehr außgepray-
tet und baß erbawen werde. Darzü seind wir alle geschaffen und darzü sollen wir Gott
alle von gantzem hertzen, seel und krefften dienen, yeder nach seinem berüff und
40 besten vermogen. Und darumb soll die Religion und der war Gottesdienst das erst und
hochste sein, das die obren bey iren underthonen zü fürderen understehn sollen.
491. Irgendwie.
492. Vgl. Mt 6,33.
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hat aber die oberkait zu versehen und zu schaffen, das man recht lebe, Das ist, in allem
menschlichem thun geschickt und ordenlich fare, nach aller zucht, erbarkait und
billichait. Das ist ettwas weiters dann sehen, das ainem die schuch oder hosen weder zu
groß noch zu klain seyen. Der oberkait ampt ist, das in der gmain yeder sein werck und
5 thun also richte und ube, das nyeman unrecht geschehe, alle tugent und gerechtigkait
bey den leüten gepflantzet werde und zuneme.
Wolan, es sey gleich wie du sagest, das die obren fürnamlich darauff sehen sollen, das
ire underthonen ain fridlich leben füren, freylich in dem forderst du, das die leüt
beyainander also wohnen, das sy weder inen selb durchainander noch anderen unrecht
10 thüen. Gelt, auff ain solchen friden wiltu, mein Sinnprecht, solle die oberkait sehen?
Sinnp: Ja, mein Fridlieb. Frid: Wolan, ists nun bey dir auch müglich, das die leüt also
fridlich beyainander leben, das sy weder sich selb durchainander noch andere irget in 491
belaidigen, wann sy nit zü allen tugenden und von allen lasteren gezogen werden?
Sinnp: Man wirt die leüt ja hart im rechten frid künden erhalten, wa sy wolten iren
15 bosen lüsten und begirden stattgeben und nicht zü aller zucht, erbarkait und billichait
genaigt sein. Frid: Ist aber j [N 4 b] | müglich, das die menschen on rechten Gots-
dienst zü ainiger waren tugenten ymmer kommen? Sinnp: Es haben offt vil bey den
Hayden dannocht sehr tugentreych gelebt. Frid: Ja, im schein und in etlichen stucken
der tugenden, durch die sy mehr rhüms und ehren verhofften. On allen zweifel, welche
20 ye in waren tugenden gelebt haben, die werden on waren Gottesdienst nitt gewesen
sein. Dann gedencke selb: Wie solte doch der mensch in warer zucht bey im selb und
billichait gegen dem nachsten wider sein aigen natur, die dann zü allem argen ymmer
treibet, bestehn und verharren, wenn er nichts nach Gott fraget, welches ewige Got-
hait und macht er doch in seinen so herrlichen wercken erkennen müß und bekennen,
25 das von Got alles kommet und wir in allen dingen zum fordersten auff in sehen sollen?
Freylich, wer gegen seinem schopffer und Got ungerecht ist, den verachtet, zü im sein
hertz nicht richtet, der wirt kaine warhait noch tugent für sich selb ymmer mehr lieben
mügen.
Sinnp: Es sicht im dennocht gleich. Frid: Ey, darumb, mein Sinnprecht, müstu es
30 also rechnen und richten: Die regierung sollen sehen, das ire underthonen recht und
wol leben, das mag nun nit sein, wa sy nicht vor allem zum waren Gotsdienst gezogen
werden. An dem hangen alle tugenten, auch alles glück und hayl. Denen, die das reych
und die gerechtigkait Gottes süchen, wirt alles güts selb züfallen 492 , sagt Christus, der
Herre. Darumb müssen die Gottsaligen obren die Religion nit als ain mittel zum
3; eüsserlichen friden brauchen wie die Gotlosen tyrannen thünd, sonder die Religion
selb lassen ir end sein, darumb sy alles thün und anrichten, das bey den iren durch ir
ampt der regierung der nam Gottes als mehr gehailiget und sein reych mehr außgepray-
tet und baß erbawen werde. Darzü seind wir alle geschaffen und darzü sollen wir Gott
alle von gantzem hertzen, seel und krefften dienen, yeder nach seinem berüff und
40 besten vermogen. Und darumb soll die Religion und der war Gottesdienst das erst und
hochste sein, das die obren bey iren underthonen zü fürderen understehn sollen.
491. Irgendwie.
492. Vgl. Mt 6,33.