VON DER WAREN SEELSORGE
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handlungen und Voten. In anderen Fällen sprach er als Einzelperson.
Doch galt er auch über die Grenzen der Stadt hinaus bereits so viel,
daß seine Ansicht nicht als Meinung eines einzelnen angesehen wurde,
sondern als die maßgebende Stimme aus der Kirche Straßburgs. Nur
in wenigen Fällen hat es der Beglaubigung durch die Unterschriften
aller Straßburger Prediger bedurft.
Die seit Theobald Nigers (Schwarz) erster Verdeutschung der Straß-
burger evangelischen Messe 1524 im wesentlichen unter Bucers Anteil-
nahme gestaltete Gottesdienstordnung der Reichsstadt hatte bereits die
Anschauungen vorbereitet, auf die Bucer nunmehr hinauskam. Die alt-
straßburgische Liturgie, die sich seitdem schnell in der Stadt selbst
durchsetzte, hat auch für andere als Muster gedient. Ausschlaggebend
für die neue Gottesdienstordnung war nur die Heilige Schrift; das war
der einzige entscheidende Faktor, wie Bucer in seinem Traktat »Grund
und Ursach auß gütlicher schrifft der neuwerungen ... zu Straßburg
fürgenommen 22« 1524 bereits ausgeführt hatte. Nur was in der römi-
schen Messe der Heiligen Schrift entgegenstand, wurde abgeschafft, so
daß nach A. Erichsons Auffassung die Straßburger Diener am Wort in
mancher Hinsicht konservativer als Luther erscheinen 23. In der »Ord-
nung des Herrn Nachtmal« 1525 heißt es: »ein yeder spüren und sehen
mög, das bey uns zu Straßburg nichts ohn geschrifft unn grundt der war-
heit gehandelt wirt 24.« Aber der entscheidende Grundsatz, daß nur die
Schrift für die Gestaltung des Gottesdienstes und des gesamten gottes-
dienstlichen Lebens der Kirche maßgebend sein dürfe, war in den Jahren
so sehr durchgedrungen, daß Bucers weitergehende Forderungen aus
seinem Ratschlag »des Gottesdienstes halben« 15 26 24 a vom Rat und erst
recht von der Synode des Jahres 1533 angenommen werden mußten. Was
Bucer angesichts der schwierigen kirchlichen Lage in Münster im Auf-
trag seiner Amtsgenossen über die Ökonomie oder Haushaltung der
Kirche in seinem Buche »Bericht aus der heyligen geschrift von der
recht gottseligen anstellung ... christlicher gemeyn« 1534 ausführte,
war im Kampfe mit seinen Straßburger spiritualistischen und individua-
listischen Gegnern erarbeitet und erkämpft. Diese Schrift ist ebenso
gearbeitet wie die Schrift »Von der waren Seelsorge«. Auch in ihr geht
es Bucer um den biblischen Kirchenbegriff. Er entwickelt darin, daß
die Kirche aus den »vere credentes« bestehe. Voraussetzung der Zu-
gehörigkeit zur Kirche ist die persönliche Beziehung zu Christus. Der
paulinische Gedanke vom Leibe Christi wird in aller Breite dargelegt.
22. Vgl. unsere Ausg. I, S. 185 ff.
23. Die calvinische und die altstraßburgische Gottesdienstordnung. Ein Beitrag
zur Geschichte der Liturgie in der Evangelischen Kirche Straßburgs. 1894. S. 27.
24. Röhrich: Mitt. I, S. 192. 24a. Vgl. unsere Ausg. II, S. 470!!.
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handlungen und Voten. In anderen Fällen sprach er als Einzelperson.
Doch galt er auch über die Grenzen der Stadt hinaus bereits so viel,
daß seine Ansicht nicht als Meinung eines einzelnen angesehen wurde,
sondern als die maßgebende Stimme aus der Kirche Straßburgs. Nur
in wenigen Fällen hat es der Beglaubigung durch die Unterschriften
aller Straßburger Prediger bedurft.
Die seit Theobald Nigers (Schwarz) erster Verdeutschung der Straß-
burger evangelischen Messe 1524 im wesentlichen unter Bucers Anteil-
nahme gestaltete Gottesdienstordnung der Reichsstadt hatte bereits die
Anschauungen vorbereitet, auf die Bucer nunmehr hinauskam. Die alt-
straßburgische Liturgie, die sich seitdem schnell in der Stadt selbst
durchsetzte, hat auch für andere als Muster gedient. Ausschlaggebend
für die neue Gottesdienstordnung war nur die Heilige Schrift; das war
der einzige entscheidende Faktor, wie Bucer in seinem Traktat »Grund
und Ursach auß gütlicher schrifft der neuwerungen ... zu Straßburg
fürgenommen 22« 1524 bereits ausgeführt hatte. Nur was in der römi-
schen Messe der Heiligen Schrift entgegenstand, wurde abgeschafft, so
daß nach A. Erichsons Auffassung die Straßburger Diener am Wort in
mancher Hinsicht konservativer als Luther erscheinen 23. In der »Ord-
nung des Herrn Nachtmal« 1525 heißt es: »ein yeder spüren und sehen
mög, das bey uns zu Straßburg nichts ohn geschrifft unn grundt der war-
heit gehandelt wirt 24.« Aber der entscheidende Grundsatz, daß nur die
Schrift für die Gestaltung des Gottesdienstes und des gesamten gottes-
dienstlichen Lebens der Kirche maßgebend sein dürfe, war in den Jahren
so sehr durchgedrungen, daß Bucers weitergehende Forderungen aus
seinem Ratschlag »des Gottesdienstes halben« 15 26 24 a vom Rat und erst
recht von der Synode des Jahres 1533 angenommen werden mußten. Was
Bucer angesichts der schwierigen kirchlichen Lage in Münster im Auf-
trag seiner Amtsgenossen über die Ökonomie oder Haushaltung der
Kirche in seinem Buche »Bericht aus der heyligen geschrift von der
recht gottseligen anstellung ... christlicher gemeyn« 1534 ausführte,
war im Kampfe mit seinen Straßburger spiritualistischen und individua-
listischen Gegnern erarbeitet und erkämpft. Diese Schrift ist ebenso
gearbeitet wie die Schrift »Von der waren Seelsorge«. Auch in ihr geht
es Bucer um den biblischen Kirchenbegriff. Er entwickelt darin, daß
die Kirche aus den »vere credentes« bestehe. Voraussetzung der Zu-
gehörigkeit zur Kirche ist die persönliche Beziehung zu Christus. Der
paulinische Gedanke vom Leibe Christi wird in aller Breite dargelegt.
22. Vgl. unsere Ausg. I, S. 185 ff.
23. Die calvinische und die altstraßburgische Gottesdienstordnung. Ein Beitrag
zur Geschichte der Liturgie in der Evangelischen Kirche Straßburgs. 1894. S. 27.
24. Röhrich: Mitt. I, S. 192. 24a. Vgl. unsere Ausg. II, S. 470!!.